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Stendaler Bahnhof Nachts sind alle Taxen aus

Wer nachts am Stendaler Bahnhof ankommt, muss sich einen Chauffeur organisieren. Taxis fahren dann so gut wie gar nicht mehr.

Von Thomas Pusch 21.07.2016, 03:00

Stendal l „Ich steh‘ in der Kälte und wart‘ auf ein Taxi, aber es kommt nicht“, textete die Band DÖF in den 80ern. Das beschreibt ziemlich gut die Situation nachts auf den Straßen Stendals und des Landkreises. Nach einer 17-stündigen Busfahrt kam Manfred Henning in der vergangenen Woche am Stendaler Hauptbahnhof an. „Wir waren in Wien“, erzählte er im Gespräch mit der Volksstimme. Da er nicht wusste, wann der Bus eintreffen würde, war ihm klar, dass er sich ein Taxi nehmen würde, „standen ja immer welche da“. Aber nicht in jener Nacht. Der 87-Jährige versuchte verschiedene Taxiunternehmen zu erreichen, ohne Erfolg. „Das Bahnhofsgebäude war verschlossen, der Wagen der Bundespolizei stand zwar da, aber es war weit und breit niemand zu sehen, tote Hose“, schilderte er weiter. So langsam wurde ihm die Sache mulmig, er fühlte sich „ganz schlimm“. Dann rief er die Polizei an, in dem Moment fuhr ein Zustellerfahrzeug vor. „Der Mann aus Rochau war meine Rettung“, freute er sich.

Ute Friedrich aus Uenglingen hatte ein ähnliches Erlebnis. „Unlängst bin ich mit meinem Mann um 23 Uhr mit dem Zug angekommen, da stand kein einziges Taxi auf dem Vorplatz“, beschrieb sie. Die beiden hatten allerdings Glück, wenig später bog ein Wagen um die Ecke. „Der Fahrer sagte uns, dass man nachts jetzt kaum noch ein Taxi am Bahnhof finden würde“, sagte sie. Das findet die Uenglingerin unbegreiflich, schließlich stehe auf den Visitenkarten „Tag und Nacht“, aber das sei offenbar nur ein leeres Versprechen.

Die von der Volksstimme befragten Taxiunternehmer sehen allerdings im Mindestlohn den Grund für den schlechter gewordenen Service. „Das kann doch kein Mensch bezahlen“, sagte Frank Schulze, Chef von Taxi Wendt. Mittlerweile würden sogar in Großstädten nachts keine Taxis mehr fahren. „Wir können keinen Fahrer für die späten Fahrten abstellen, das lohnt sich betriebswirtschaftlich einfach nicht“, erklärte er. Früher habe er einen 24-Stunden-Betrieb aufrechterhalten, das gehe jetzt nur noch am Wochenende, „da sind ja dann auch die Kunden da“, begründete er. Unter der Woche sei hingegen um 21 Uhr Schicht. Auch Vorbestellungen für spätere Fahrten nehme er nicht an.

Da macht Kai Naumann einen Unterschied. „Wenn es darum geht, dass jemand um 2 Uhr morgens nach Berlin will, dann lässt sich sicherlich etwas regeln, aber nicht für acht Euro von Stadtsee in die Innenstadt“, sagte der Chef von Taxi Naumann. Eigentlich mochte er sich aber weiter zu den nächtlichen Taxifahrten nicht äußern. „Zwei Mann sind im Dienst, und wenn bei dem zweiten die Acht-Stunden-Schicht abgelaufen ist, dann ist Feierabend“, brachte er es auf den Punkt. Früher sei es kein Thema, jemanden in Rufbereitschaft vorzuhalten, doch das sei mittlerweile zu teuer geworden.

Beim Landkreis Stendal ist die Misere bekannt. „Durch die Einführung des Mindestlohns können die Unternehmer aus wirtschaftlichen Gründen ihre Taxen zu Nachtzeiten nur noch in geringem Maße bereithalten“, hieß es auf Anfrage von der Pressestelle. Der Landkreis hat allerdings keine Handhabe, die Unternehmen zum Nachtbetrieb zu drängen. Die Beförderungspflicht lautet: „Für Taxen von Unternehmern, die ihren Betriebssitz im Landkreis Stendal haben, besteht eine allgemeine Beförderungspflicht für Fahrstrecken im Landkreis Stendal.“ Dass rund um die Uhr ein Taxi vorgehalten werden muss, ist darin nicht erwähnt.

Am 1. Januar 2015 ist eine neue Taxi-Tarifordnung in Kraft getreten. Der Grundbetrag wurde von 3,50 auf fünf Euro erhöht. Hauptgrund für die Erhöhung war der künftige Stundenlohn für den wartenden Kraftfahrer, bis er den nächsten Fahrauftrag erhält. Das Beförderungsentgelt stieg von 1,40 auf zwei Euro für die ersten beiden, auf 1,80 Euro für jeden weiteren Kilometer.