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Tierliebe Mit der Wildgans unterwegs

Horst Hinze ist im Mai 2016 ein Wildgansküken zugelaufen. Seither kümmert sich der Arneburger das Tier, das langsam flügge wird.

Von Doreen Schulze 17.04.2017, 02:00

Arneburg l Für die Arneburger ist es längst kein ungewöhnliches Bild mehr: Wenn Horst Hinze in Richtung Elbe unterwegs ist, hat er stets einen gefiederten Begleiter an seiner Seite. Es ist eine junge Wildgans, die dem Arneburger vor rund einem Jahr quasi vor die Füße gelaufen ist. Seither ist sie fast immer in der Nähe Hinzes.

Es war im Mai 2016. Horst Hinze war hinter seinem Haus im Garten in Arneburg/Bürs. Die Hunde der Nachbarn bellten. Hinze wusste, dass irgend etwas los ist. Er sah auf den Weg hinter seinem Grundstück und entdeckte das Wildgansküken. Hinze vermutet, dass es aus dem angrenzenden Rapsfeld kam. „Es war vielleicht eine Woche alt“, erinnert sich der Rentner. Da die Hunde anschlugen und das Küken nervös hin und her lief, fürchte Hinze, dass das Tier Opfer der Vierbeiner werden könnte. Hinze nahm sich des anscheinend elternlosen Kükens an. Er setzte es in ein Waschbecken voll Wasser und bereitetem ihm aus Brennnesseln, Ei und Haferflocken Futter zu. Das Küken blieb, wurde groß und ist noch immer auf dem Hinze-Grundstück anzutreffen.

Zehn Jahre lang hat Hubertus von Rundstedt den Umbau vom konventionellen Stall zum Bio-Stall nach Tierwohl-Richtlinien betrieben. 2007 begannen die Umbauarbeiten. Heute hält der Schönfelder 700 Schweine. Undzwar so, wie es sich Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert auf die Fahnen geschrieben hat. Erst Ende März eröffnete sie einen neuen Deckstall in der Landesanstalt für Landwirtschaft und Gartenbau in Iden.

„Ich weiß nicht genau, was für eine Sorte Wildgans es ist. Ich kann auch nicht genau sagen, ob es eine Gans oder ein Ganter ist. Dazu müsste man das Gegenstück sehen“, berichtet Hinze. Gänse hat er sonst nicht auf seinem Grundstück. Hinze hält Kaninchen und Tauben. Vor allem mit letzteren hat er Sorgen, schließlich kommt fast täglich der Habicht und versucht eines dieser Tiere zu erlegen. Manchmal gelingt es ihm auch. „Früher hatte ich mal Enten“, berichtet Hinze. Aber das ist schon einige Jahre her.

Und nun hat Horst Hinze ja seine Wildgans. Jeden Tag ist sie vor Ort, kommt zum Frühstück sogar in die Küche. Wenn Hinze an die frische Luft geht, ist seine Gans dabei. Macht sich der passionierte Angler, der Mitglied in der Angelsportgruppe 1964 Arneburg ist, an die Elbe auf, ist sie natürlich auch dabei. „Aber langsam wird sie immer selbstständiger“, wie Hinze feststellt. Mitunter kommt es vor, dass seine Gans nach einem solchen Ausflug nicht mit nach Hause kommt und an der Elbe bleibt. „Das ist ja in Ordnung. Es ist ja auch ein wildes Tier“, erklärt Hinze. Am nächsten oder spätestens übernächsten Tag ist sie aber wieder in Bürs. „Hier geht es ihr ja gut. Hier hat sie ja alles, was sie braucht“, so Hinze.

Der Arneburger rechnet aber schon damit, dass sie irgendwann nicht wieder kommen wird. Er vermutet, wenn in den kommenden Jahren wieder die wilden Gänse über Aneburg ziehen, wird sie eines Tages mit fliegen. „Dann ist sie geschlechtsreif. Ich glaube, dann wird sie hier nicht mehr viel halten.“ Von einem typischen Haustier ist die wilde Gans trotz ihrer Nähe zu den Menschen weit entfernt. Nur widerwillig lässt sich das Tier berühren. In einem Gatter wird es auch nicht festgehalten. Die wilde Gans kann sich stets frei bewegen.

Seit einem knappen Jahr kümmert sich Lothar Hinze nun schon um seinen gefiederten Gast. „Ich habe mich sogar mit ihm verewigen lassen“, sagt er stolz und öffnet seine Jacken. Darunter trägt er ein T-Shirt. Auf diesem ist er und die wilde Gans als Fotodruck abgebildet. Und natürlich hat Hinze auch einen Namen für seinen Gast. Er nennt ihn scherzhaft „Braten“. Fügt aber sofort hinzu, dass er auf gar keinen Fall die Absicht hat, das Tier in den Gänsebräter zu legen. „Gegessen wird ‚Braten‘ nicht. Schließlich hängt ja auch das Herz an dem Tier.“ Aber spannend klingt es schon, wenn der Fährmann bei Hinzes anruft und sagt: „Hole mal deinen ‚Braten‘ ab“, wenn die Gans mal wieder mitten auf der Fähranliegerstraße ein Nickerchen hält.

Seiner Wildgans wünscht Hinze, dass sie eines Tages frei durch die Lüfte zieht und eigene Jungen großziehen wird.