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Vereinsleben Integration auf Kleingärtnerisch

Asylbewerber werden als Vereinsmitglieder integriert. Ein Beispiel findet sich in der Kleingartenanlage „Tierzucht“ in Stendal.

Von Egmar Gebert 28.06.2016, 01:01

Stendal l Bärbel Kohl ist den meisten Stendalern als „Chefin“ der Tafel bekannt. Weit weniger Rolandstädter wissen um ihr Hobby – die Kleingärtnerei. Dass die rührige Rentnerin beides engagiert betreibt, erwies sich vor einigen Monaten für drei Familien als glückliche Fügung – für die Familien von Mohamed Elgeadi und Abdel Razik aus Palästina sowie die von Ibrahim Hamodeh aus Syrien.

Während eines Tafelbesuchs hatte sich Mohamed Elgeadi für frisches Obst und Gemüse bedankt , von zu Hause erzählt, wo seine Eltern all das und noch vieles mehr angebaut hätten und davon, wie sehr seine Kinder sich über die Früchte freuen würden. In Bärbel Kohls Kopf fing es an zu rattern.

Während der nächsten Versammlung im Kleingartenverein „Tierzucht“, in dem sie und ihr Mann seit vielen Jahren eine Parzelle beackern, legte sie die Saat, die dank des Wohlwollens ihrer Mitgärtner (gut ein Dutzend sind es noch) im Mai aufzugehen begann. Die Flüchtlingsfamilie Mohamed Elgeadi, die seines Cousins Abdel Razik und des Bekannten Ibrahim Hamodeh bekamen das Angebot, je eine leerstehende Parzelle in der Anlage zu übernehmen, und sie nahmen es mit Freuden an. Ein Platz, wo sie mit Frau und Kindern sein, selbst etwas anbauen könnten. Auch wenn es erst einmal Schweiß kosten würde. Das war den drei Män- nern schon beim ersten Blick auf die verkrauteten Flächen klar.

„Ein Monat viel Arbeit, dann alles gut“, sagt Mohamed, des Deutschen schon recht mächtig. Burkhard Köpke stimmt kopfnickend und anerkennend zu. Es sei schon beachtlich, in welchem Tempo sich die teils ziemlich vernachlässigten Flächen wieder in Kleingärten verwandelt hätten.

Stolz laden die drei Neulinge, die alle bereits Vereinsmitglieder sind, in ihre Gärten ein. In dem von Mohamed Elgeadi tragen die Tomatenpflanzen hinter der Rosenrabatte bereits gelbliche Früchte. Ibrahim Hamodeh ist stolz auf die prächtig gedeihenden Kohlpflanzen, von denen er sich im Herbst reiche Ernte verspricht. Und im Garten von Abdel Razik blühen die Kartoffeln neben dem in Reih und Glied stehenden Zwiebellauch.

Wenn die drei Gärten etwas von denen ihrer deutschen Nachbarn unterscheidet, dann vielleicht die Zierlichkeit manchen Gewächses. Die drei „Junggärtner“ konnten ihre Felder ja erst ab Ende Mai/Anfang Juni bestellen. Und es ist die Form der Beete. Manches, wie das mit den Erdbeeren darauf, ist von einem kleinen Wall umgeben, oder beim Kohl (der in der Sprache von Ibrahim Hamodeh „Kromb“ heißt), bei dem jede Pflanze ihren Gießring hat.

Ibrahim erklärt, das sei wegen des Wassers. Zuhause sei Wasser sehr knapp und auch teuer. Sparsam damit umzugehen, sei für ihn ganz normal. Auch für Mohamed und Abdel ist das Haushalten mit dem kostbaren Nass ein Muss und bei den üblichen 40 Grad oder darüber, die der Sommer in Palästina zu bieten habe, besonders wichtig. Aber alles andere würden sie jetzt machen wie ihre deutschen Gartennachbarn, versichern die drei Männer.

 „Wir fragen, wollen es gut machen. Und viele nette Leute hier, die uns auch Pflanzen gegeben haben“, erzählt Abdel Razik. Der junge Vater zweier Kinder hat, als er „Grund“ in seinem Garten hatte, gegrillt und den Nachbarn abgegeben, als Dankeschön.

„Das sind so Sachen, die überall funktionieren könnten, wenn alle ein bisschen guten Willen zeigen“, ist Bärbel Kohl überzeugt. „Bei uns funktioniert es jedenfalls gut“. So gut, dass Mohamed Elgeadi auch für seine beiden Freunde jetzt bereits sagt: „Wir möchten hier bleiben, alle und für immer.“ Geht es nach Vereinsvorsitzenden Burkhard Köpke und seiner kleine Mannschaft, steht dem nichts im Wege.

„So sieht bei uns Integration aus“, sagt Manfred Meckel, der als Vorsitzender des Gartenfreunde-Kreisverbandes keine Schwierigkeiten hat, weitere Beispiele gelebter Kleingärtner-Integration zu nennen: „Im Verein ‚Gartenfreunde 20‘ haben wir zwei Iraker, im ‚Springberg‘ drei Syrer. Zu den Kleingärtnern von ‚Zur Erholung‘ in Stendal gehören Libanesen, Afghanen und Iraner, in ‚Süd-Ost‘ sind es Syrer. Und in einem Tangerhütter Verein ackert auch eine afghanische Familie.“