1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Stendal
  6. >
  7. Kein Geld für Kastanie auf Autodach

Versicherung Kein Geld für Kastanie auf Autodach

In 80 Fällen haben Bürger in den vergangenen fünf Jahren Schadensersatz von der Stadt Stendal verlangt - zumeist vergebens.

Von Bernd-Volker Brahms 27.04.2017, 01:01

Stendal l Muss die Stadt dafür aufkommen, wenn eine herabfallende Kastanie eine Delle im Autodach verursacht oder sich Passanten verletzen, wenn sie an der Treppe an der Marienkirche stürzen?

Mit derart gelagerten Fällen musste sich die Haftpflichtversicherung der Stadt in den vergangenen Jahren unter anderem beschäftigen. Wie alle Kommunen muss auch Stendal Beiträge zum Kommunalen Schadensausgleich Berlin (KSA) zahlen. Die Versicherungsprämie für die Hansestadt schwankte zwischen 20.224,85 Euro in 2012 und 31.216 Euro für 2014 und 2016. Die Versicherung, die sich aus Umlagebeiträgen der Kommunen finanziert, prüft Fälle wie die eingangs erwähnten und reguliert Schäden.

In den vergangenen fünf Jahren wurden insgesamt 80 Fälle der Versicherung gemeldet, 21 wurden anerkannt. Diese Zahlen gehen aus einer Anfrage hervor, die Stadtrat Reiner Instenberg (SPD) im Dezember 2016 im Stadtrat an die Verwaltung gestellt hat. Kurz zuvor hatte die Volksstimme über eine Frau berichtet, die in der gerade erst sanierten Marienkirchstraße an einer Treppenstufe gestützt war und sich dabei verletzt hatte. Der Vorfall hatte sich Mitte August 2016 ereignet. Die Schadensausgleichstelle sah kein Versäumnis durch die Stadt. Die Frau ging leer aus. Sie selbst hatte nach Verwaltungsangaben gar keinen Schadensersatzanspruch gestellt. Dennoch leitete die Verwaltung den Vorgang an die Versicherung weiter.

„Bei Anwendung verkehrserforderlicher Sorgfalt stelle der konkrete Unfallbereich keine unvermutete und unvorhergesehene Gefahrenstelle dar“, hatte die Versicherung entschieden.

Auch bei dem Vorfall mit der Kastanie auf dem Autodach zahlte die Ausgleichstelle nicht. Das gleiche gilt für den Fall herabstürzenden Eises vom Dach einer Grundschule, das die Frontscheibe eines Autos zerstörte. Und auch bei einem Pkw-Schaden, der durch einen verrutschten Gullydeckel verursacht wurde, konnte die Stadt nicht haftbar gemacht werden.

Der Kommune konnte in allen Fällen nicht nachgewiesen werden, dass sie fahrlässig ihre Pflicht verletzt hatte.

Wenn man sich die dann erkannten Schadensfälle ansieht, dann stellt man fest, dass insbesondere der Bauhof beteiligt ist. So gab es Vorfälle, bei denen ein Auto bei Mäharbeiten beschädigt sowie andere bei Straßenbauarbeiten verschmutzt wurden. Außerdem beschädigten Bauhofmitarbeiter mit einem Bagger bei Schachtarbeiten das Erdkabel einer Firma.

„Wir haben die gesamte Baumpflege auf die Problematik abgestellt“, sagt Stadtsprecher Klaus Ortmann. Es gebe seither wesentlich weniger Versicherungsfälle. Das heißt, dass herabhängende Äste schnell beseitigt werden und Bäume so beschnitten werden, dass möglichst keine Unfälle passieren. Allerdings gab es einen Versicherungsfall, bei dem ein umgestürzter städtischer Baum einen Zaun einer Firma beschädigte.

Unter den anerkannten Fällen gibt es auch einige schon etwas kurios anmutende Vorgänge. So wurde die beschädigte Gitarre aus dem Privatbesitz einer Erzieherin genauso ersetzt, wie die zerstörte Brille eines 1-Euro-Jobbers und die Arbeitsbrille einer Mitarbeiterin des Theaters. Und dann war da noch der verschmutzte Teppich in einem Hotel. Es habe sich dabei um Gäste der Stadt gehandelt, sagt Stadtsprecher Ortmann. Im Nachhinein sei nicht zweifelsfrei feststellbar gewesen, wie und wann es zu der Verunreinigung kam. Die Versicherung hat es am Ende übernommen.