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Vorpremiere Kollektives Schluchzen im Kinosaal

Rund 400 Zuschauerinnen erlebten am Mittwochabend die Vorpremiere von „Ein ganzes halbes Jahr“ im Stendaler Uppstall-Kino.

Von Thomas Pusch 24.06.2016, 01:01

Stendal l Es lag etwas Besonderes in der Luft. Schon um 19 Uhr hatten sich zahlreiche Frauen vor dem Uppstall-Kino versammelt. Eine Stunde vor dem Vorstellungsbeginn, das war ungewöhnlich. Aber ungewöhnlich war auch der Rahmen für die Vorpremiere von „Ein ganzes halbes Jahr“. So gab es zu der Kinokarte ein Glas Sekt, das ist schon öfter einmal bei sogenannten Mädelsabenden im Kino so gewesen. Theaterleiter Günther Tyllack hatte aber auch einen lokalen Drogeriemarkt davon überzeugt, Papiertaschentücher zu sponsern, von einem Süßwarenhändler kamen Gummibärchen.

Zu den ersten Gästen gehörten die Freundinnen Hannah Klein, Vanessa Hille, Diana Sardá Wienert, Laura Kleinod und Vanessa Volkstedt aus dem Stendaler Umland. Alle hatten die Romanvorlage von Jojo Moyes schon vor dem Filmabend gelesen. „Wir sind richtige Leseratten“, meinten sie fröhlich mit ihren Rosésektgläsern in der Hand. Anja Slotta war auch ganz begeistert von dem Buch, an das für sie die Nachfolgetitel nicht mehr herankamen, auch sie war mit Freundinnen im Kino. Antje Kopp hingegen hatte sich ihre Mutter geschnappt, um mit der einen schönen Kinoabend zu verleben.

„Ursprünglich wollte ich den Film nur in einem Saal spielen“, verriet Tyllack im Gespräch mit der Volksstimme. Doch der war bis zum vergangenen Wochenende schon ausverkauft, so kam ein zweiter hinzu, am Montag sogar noch ein dritter. Nur in einem Saal wurde am Mittwochabend ein anderer Film gespielt, in Saal 4 verloren sich ein paar Zuschauer von Conjuring 2, während sich auf die anderen drei Säle fast 400 Frauen verteilten.

Und die hatten erstmal eine Menge zu lachen. Denn der Film, dessen Titel einen dramatischen Verlauf vermuten lässt, beginnt durchaus humorvoll. Die etwas naive, aber vor allem grundgute Louisa, genannt Lou, nimmt eine Stelle als Pflegekraft bei dem vom Brustkorb abwärts gelähmten Will an.

Der sitzt im Rollstuhl, seit er von einem Motorrad umgefahren wurde, und behandelt die junge Frau zunächst sehr hochnäsig und abweisend. Doch Lou lässt sich nicht beirren, bringt mit ihrer fröhlichen Art nicht nur das Stendaler Publikum, sondern auch Will zum Lachen. Der wird mit seinem Schicksal nicht fertig, hat einen Selbstmordversuch hinter sich, will sich als 31-Jähriger nicht mit so einem ganz anderen als seinem „wahren Leben“, wie er es nennt, abfinden. Lou und das Stendaler Publikum erfahren, dass er Kontakt zu einer Suizidklinik in der Schweiz aufgenommen, seiner Mutter aber versprochen hat, sechs Monate zu warten.

Die Stimmung im Saal bekommt einen Knick. Lou möchte hinschmeißen, doch ihre Schwester überredet sie, Will zu zeigen, wie lebenswert das Leben sein kann. Eine Reise nach Mauritius ist der fröhliche Höhepunkt, doch das halbe Jahr ist um, Will von seinem Entschluss nicht abzubringen. Es gibt die ersten Schluchzer im Publikum.

Und während eines sehr gefühlvoll erzählten Finales beginnen immer mehr Tränen zu laufen. Der Film versucht mit einem optimistischen Epilog die traurige Stimmung zu vertreiben. Doch bei den meisten gelingt das nicht. Während des Abspanns schneuzen sie in ihre Taschentücher und amüsieren sich schließlich über dieses Gemeinschaftserlebnis. Das Lachen ist zurück.

Und bester Laune war gestern auch Theaterleiter Tyllack im Gespräch mit der Volksstimme. Nicht nur, dass er am Vorabend sehr oft Lob für einen „gelungenen Abend“ bekommen hatte, sondern mit knapp 400 Zuschauerinnen belegte er auch den Spitzenplatz im Rahmen der Cinemotion-Gruppe, die insgesamt 14 Filmtheater von Berlin bis Hoyerswerda betreibt.