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Wahl-Dialog Ein verhängnisvolles „Ja“

Die Bundestagskandidaten Marcus Faber (FDP) und Matthias Büttner (AfD) haben sich einen direkten Schlagabtausch geliefert.

Von Donald Lyko 18.09.2017, 08:34

Stendal l Gerade noch hatte AfD-Direktkandidat Matthias Büttner dafür geworben, seine Partei nicht wegen der Personen zu wählen, „sondern wegen des Programmes“, da ging es auch schon um die umstrittenen Personen an der Parteispitze. „Von dem Gauland können Sie sich entsorgen“, empfahl Stadtsee-Einwohner Walter Krause. Manfred Schuchmilski sprach von den „Chaoten“, die zur Räson gebracht werden müssten. Und just war die Reihe an Bundes-Vize Beatrix von Storch und deren Aussage, an der Grenze auch auf Kinder und Frauen schießen zu lassen. Da wollte FDP-Kandidat Marcus Faber dann doch mal genau von seinem Gegenüber wissen, wie er dazu stehe.
Büttner näherte sich der Antwort erst einmal anders, befürwortete den Waffeneinsatz, „wenn jemand illegal oder böswillig die Grenze übertritt“ oder wenn Gefahr für die Grenzschützer bestehe. Wenn jemand mit einer Waffe ausgerüstet werde, um die Grenze zu bewachen, dann doch wohl auch, um sie im Ernstfall zu benutzen, sagte der AfD-Kandidat und verglich dies mit einem Einbrecher im eigenen Haus: „Dann muss ich mich auch wehren können.“ Doch der liberale Mitbewerber ließ nicht locker, drängte auf eine klare Antwort auf die Frage: Sie würden also auch auf Frauen und Kinder schießen lassen? Frage, Antwort, Nachfrage, die Schlagzahl im Zwiegespräch nahm deutlich zu – und dann war es plötzlich da, das „Ja“.
Eine Antwort, die ein daneben stehender Herr gleich empört mit den Worten „Man kann doch nicht auf Kinder schießen“ kommentierte. Eine Antwort, die der erfahrene Wahlkämpfer Marcus Faber wenig später auf seiner Facebook-Seite als Bekenntnis Büttners zum Waffeneinsatz gegen Kinder und Frauen an der Grenze interpretierte.

Davon distanzierte sich Matthias Büttner umgehend, weil das – in der aufgeheizten Gesprächssituation – nicht seine Antwort auf diese konkrete Frage gewesen sei, sondern von Marcus Faber „aus dem Zusammenhang gerissen“ werde. „Ich verwehre mich dagegen, auch wenn Herr Faber es mir immer und immer wieder in den Mund legen wollte, auf unbewaffnete Menschen zu schießen. Von dieser Inhumanität distanziere ich mich natürlich völlig“, reagierte Büttner am Sonnabend in einer E-Mail an die Volksstimme.
So, und worum ging es beim dritten und letzten Dialog mit Bundestagskandidaten im Stendaler Stadtseegebiet, dem Gebiet mit der geringsten Wahlbeteiligung, noch? Zum Beispiel darum, dass die Stadtseegebiete II und III von den kulturellen Angeboten in der Stadt abgeschnitten sind. Das beklagte Walter Krause und nannte als Beispiel das Pro­blem, spät nach Veranstaltungen noch „vernünftig zurück zu kommen“. Matthias Büttner („Ich muss mich outen als Kulturbanause, ich war noch nie groß im Theater“) und auch Marcus Faber – beide sind im Stadtrat – boten an, das Problem in den Ratsgremien anzusprechen und luden Walter Krause ein, selbst einmal während einer Einwohnerfragestunde das Problem vorzutragen.
So wie sich Büttner Kritik an den umstrittenen Spitzenleuten seiner Partei anhören musste, gab es die auch für den FDP-Vertreter. Werner Mendel erinnerte an Brüderle und Solms, an frühere Aussagen über die „Partei der Besserverdienenden“. Sicher, sagte Faber, die FDP habe Fehler gemacht, aber der aktuelle Wahlslogan „Denken wir neu“ sei „durchaus ernst gemeint“ – auch personell: Die Hälfte der Kandidaten sei dies vor vier Jahren noch nicht gewesen.
Ein Stichwort für Matthias Büttner, um den Vorteil der AfD aufzuzeigen: Sie sei eine junge Partei, die Mitglieder seien noch nicht so in der Politik verstrickt. Das wollte Marcus Faber so aber nicht stehen lassen: „Die sachsen-anhaltische AfD-Landtagsfraktion als Vorbild hinzustellen, ist ja so was von daneben.“ Eine Partei müsse doch für irgendetwas stehen. Faber: „Nur gegen etwas zu sein, ist doch kein Programm.“
Dass es noch offene Fragen gibt, zum Beispiel zum Thema Renten, „ist doch nicht schlimm, wir sind eine noch junge Partei“, erklärte Büttner Lücken im Wahlprogramm. Reaktion Faber: „Und ob das schlimm ist.“ Dann bezog der AfD-Kandidat aber doch seine Position: „Wer 40 Jahre Rente eingezahlt hat, der muss später auch davon leben können.“
Viele Themen – Auslands­einsätze der Bundeswehr, Russlands Politik, die Rolle der EU auf die altmärkische Wirtschaft – wurden während der Runde angesprochen, meist mit konträren Positionen der beiden Direktkandidaten. Aber nicht immer. Der zügige Ausbau der A?14 findet Zustimmung von beiden, auch beim Thema Anerkennung der Schulabschlüsse liegen sie nicht so weit auseinander. „Die Kleinstaaterei müsste aufhören“, wünscht sich Werner Mendel. „Genau das steht in unserem Programm“, pflichtete ihm Marcus Faber bei. Er sehe es „unter dem Strich genauso“, weil eine fehlende Chancengleichheit katastrophal für die jungen Leute sei, schloss sich Matthias Büttner an, dennoch schränkte er ein: Die Schulabschlüsse müssten in allen Bundesländern erkannt werden, der Weg dahin könnte aber weiterhin Ländersache sein.
Und in noch einer Sache waren sich beide einig: Darin, die Notwendigkeit der für Stendal geplanten Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in Frage zu stellen. Faber: „Wenn man sich die jetzigen Zahlen anschaut, dann benötigt man sie nicht. Das Geld könnte für etwas anderes eingesetzt werden.“ Büttner: „Wenn die Gesetze, zum Beispiel zur Abschiebung, konsequent umgesetzt werden, bräuchten wir die Unterkunft nicht mehr.“