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Wahlfälschung Der Versuch des Verteidigers

Gebhardts Anwalt fährt vor dem Landgericht Stendal schwere Geschütze auf: Er versucht, Zeugen als unglaubwürdig darzustellen.

01.02.2017, 23:01

Stendal l Einen ganzen Leitz-Ordner füllten die Berichte inzwischen. Zeugen könnten nicht mehr trennen zwischen dem, was sie erlebt haben, und dem, was veröffentlicht worden ist. Das Gericht müsse daher prüfen, ob die Zeugenvernehmungen nicht oder in welchem Umfang verwertbar seien, fand Kühne. Richterin Simone Henze-von Staden nahm die Einlassung kühl zur Kenntnis: „Das werden wir jetzt aber nicht öffentlich erörtern.“

Es lief allerdings an diesem vierten Verhandlungstag vor dem Stendaler Landgericht nicht gut für Kühnes Mandanten. Dafür sorgte auch die erste Zeugin, die aus gesundheitlichen Gründen unter Ausschluss des rund 50-köpfigen Publikums vernommen wurde.

Staatsanwältin Annekathrin Kelm hatte die junge Frau am ersten Prozesstag als Zeugin nachbenannt - unmittelbar, nachdem Holger Gebhardt damals erklärt hatte, dass er niemanden unter Druck gesetzt oder beeinflusst habe. Wie es heißt, habe die Zeugin aber genau das in ihrer Aussage bezeugen können.

Wenig Chancen hatte Gebhardts Anwalt auch beim nächsten Zeugen Florian M. Mit mehreren Fragen versuchte er die Glaubwürdigkeit des 28-Jährigen infrage zu stellen. So erkundigte sich Kühne detailliert nach den Kontakten, die der Zeuge mit der Volksstimme gehabt hatte.

Florian M. machte indes deutlich, dass weder der Austausch über den Kurznachrichtendienst Twitter noch die umfangreiche Berichterstattung ihn bei seinen Aussagen beeinflusst hätten.

Als Anwalt und Richterin auch noch die letzten Kurznachrichten vom Morgen vor der Verhandlung erfahren wollten, wurde daraus allerdings kein Coup für Kühne: Vielmehr schilderte Florian M., dass er sich erkundigt hatte, ob er vor seiner Aussage an der Sitzung teilnehmen dürfe und wie es um die Parkmöglichkeiten vor dem Landgericht bestellt ist.

Florian M. machte vor Gericht überdies deutlich, dass es nur diesem Twitter-Kontakt zu verdanken sei, dass er überhaupt zu dem Termin erscheinen konnte. Die offizielle Ladung des Landgerichts habe ihn bis heute nicht erreicht.

Als dritter Zeuge war Kriminalhauptkommissar H. geladen. Der Polizist, der die Ermittlungen weitgehend geleitet hatte, schilderte die Auffälligkeiten bei den Vollmachten: Die auf Wahlbenachrichtigungskarten seien aus Gebhardts persönlichem Umfeld, die auf DIN-A-4-Blättern ausgedruckten formlosen waren auf damalige Hartz-IV-Empfänger ausgestellt.

Während Letztere bei den Befragungen durchweg angaben, dass sie nichts von ihrer Briefwahl gewusst hätten und an Wahlen auch nicht teilnehmen, registrierte H. bei denen, die mit Gebhardt bekannt waren, „dass einige nicht die Wahrheit sagten oder sich nicht erinnern konnten“.

Der von Holger Gebhardt zuletzt mehrfach erwähnte Ordner mit Personalbögen und Unterschriften, den er von CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel bekommen und für seine Fälschungen genutzt haben will, war dem Ermittler hingegen unbekannt. Er sei bei der Durchsuchung der CDU-Geschäftsstelle nicht gefunden worden. Kühne bemerkte, dass der Keller damals nicht durchsucht worden sei. Gebhardt selbst trug indes hierzu keine neuen Erklärungen bei.

Prägnant konnte sich der Polizeibeamte noch daran erinnern, als Kollegen und er im Herbst 2014 Christian L. stellten. Der Stendaler war unterwegs gewesen, um für die Nachwahl in Gebhardts Auftrag Briefwahlunterlagen zu besorgen. Dies habe L. gar nicht erkannt. Er war im Glauben, etwas Gutes zu tun, heißt es im Vernehmungsprotokoll. H. zitierte L. gestern so: Er „fühlte sich verarscht“ von Gebhardt.