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Wahlaffäre „Idioten“ mit acht Ausrufungszeichen

Bei der Aufarbeitung der Stendaler Wahlaffäre gibt es bemerkenswerte Fundstücke auf Rechnern und Mobilfunkgeräten.

25.10.2016, 23:01

Stendal l Der 5. November wird als der wohl bislang schwärzeste Tag in der Geschichte der Stendaler CDU eingehen. An dem Tag werden nicht nur die Räume der Geschäftsstelle durchsucht. Klar wird zu diesem Zeitpunkt, dass Briefwahlstimmen bei der Kommunalwahl im Mai 2014 gefälscht worden sind. Der damalige CDU-Stadtrat Holger Gebhardt legt alle Ämter nieder und tritt aus der Partei aus. In der CDU spricht man von der „Tat eines Einzelnen“.

Die Ermittler stoßen bei der Auswertung der Rechner und Mobilfunkgeräte auf einige bemerkenswerte Fundstücke. So hat Gebhardts Lebensgefährtin Conny B. eine etwas andere Erinnerung an die Ereignisse. Im Chat schreibt sie in den trüben Novembertagen vor zwei Jahren ihrer Schwester, dass „Dinge (…) gesagt werden, die gewisse Leute schon im Mai wussten, aber jetzt tun sie ganz überrascht…“. Wenig später schiebt sie hinterher: „Idioten“. Und bekräftigt dies mit acht Ausrufungszeichen.

Conny B. behält zwar bis Sommer 2016 ihre geringfügige Beschäftigung für den CDU-Landtagsabgeordneten Hardy Peter Güssau. Allzu feinsinnig ist das Verhältnis von Güssau zu seinem langjährigen Vertrauten Holger Gebhardt aber nicht mehr. In einer iMessage teilt Güssau Claudia T. (Name geändert) mit, dass die Staatsanwaltschaft Gebhardt „am Arsch“ habe und er dies geahnt hätte. Einer anderen Helferin beim Vollmachten-Sammeln schreibt er „Holger ist ein Arsch“ und „sie soll alles aussagen“.

Monate vorher herrscht in der Stendaler CDU-Welt dagegen eitel Sonnenschein. Und nicht nur das. Die Ermittlungsergebnisse bringen auch ein kleines, aber feines Geflecht zu Tage. So laden Gebhardt und Freundin das Ehepaar Schmotz zum Grillabend ein. Da geht es um Privates, aber Dienstliches bleibt nicht außen vor.

Die von den Ermittlern abgefischte elektronische Kommunikation verdeutlicht, dass nicht nur für Gebhardt eine Perspektive im Stendaler Rathaus vorgesehen war. Auch Conny B. sollte vom nachgeordneten Bereich in die Kernverwaltung wechseln. Diese ist darüber so erfreut, dass sie dem „lieben Klaus“ Schmotz versichert, er bekomme eine Mitarbeiterin mit „hoher Motivation“. Einzig Vize-Oberbürgermeister Axel Kleefeldt torpediert mit seinen Vorstellungen offenbar einzelne Pläne des kleinen CDU-Zirkels und will bei den Personalrochaden nicht so recht mitspielen. Wenig schmeichelhaft wird er im kleinen Kreis mehrfach als „Kacksel“ bezeichnet.

Bekanntermaßen kam alles ganz anders. Und wer was gewusst hat, wird im Zuge des Prozesses womöglich doch noch ans Tageslicht kommen.