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Weltrotkreuztag  Als Kino noch so was wie Varieté war

Der DRK-Kreisverband Östliche Altmark sorgte anlässlich des Weltrotkreuztages in Stendal mit Stummfilmszenen für amüsierte Gesichter.

Von Claudia Klubsch 09.05.2017, 23:01

Stendal l Der Stummfilm lebt! Wie sonst ist zu erklären, dass sich der Große Saal des Theaters der Altmark am Montag gut füllte, als Stan- und Olli-Klassiker auf dem Programm standen. Die genaue Überschrift des Abends lautete: „Stan-und Olli-Show: Stummfilmkonzert mit Stephan Graf von Bothmer“.

Im Rahmen des Weltrotkreuztages lud das DRK zum Film- und Hörerlebnis ein. Pianist Graf von Bothmer präsentierte ein Programm, dessen Abfolge die Kinobesucher vor vielen Jahrzehnten so erlebt haben könnten. „Damals war Kino so etwas wie Varieté“, erklärt der „Showmaster“ seinem Publikum.

Über den Abend verteilt er in seinen Moderationen reichlich Informationen über Film- und Kino-Geschichte, bisweilen etwas zu reichlich. „Ins Kino gingen die Leute, um sich zusammen über die Filme zu beömmeln“. Dass das heute auch gelingen kann, bewahrheitet sich im Laufe des Abends. Nie ging es zu Stummfilm-Zeiten ohne Live-Musik ab. Auch dafür ist heute gesorgt. Das Klavier links am Bühnenrand hat Großkampftag.

Werbung darf nicht fehlen. Auf der großen Leinwand im Theatersaal flimmert die Filmreklame aus dem Jahre 1912 „Sektzauber“. Frühe Animationskunst ist zu sehen. Ein Zauberer sorgt dafür, dass sich ein riesenhaftes Glas mit prickelndem Schaumwein füllt. Oben auf dem Rand tanzen kurzberockte Mädchen. Zum Schießen! Das Publikum ist amüsiert. Der Pianist haut in die Tasten, lässt zusätzlich die Korken knallen. Vertonte Sektlaune.

Mystische Klänge ringt Graf von Bothmer seinem Instrument ab, als er berühmte Ausschnitte (er nennt es neukinodeutsch „Trailer“) aus dem Klassiker „Nosferatu“ von 1922 abspielt . Die Szenen aus der Mutter aller Vampir-Filme, schwarz-weiß, der Horror aus heutiger Sicht urkomisch, werden begleitet von leisen, hinterhältigen Tönen, wenn sich der Monster-Schatten mit Krallenhänden die Treppe hinaufbewegt. Die Musik schwillt an, wenn es dem armen Opfer an den Hals geht. Live-Musik und Film verschmelzen miteinander. Die Bothmersche Improvisation passt haargenau auf jede Millisekunde Film.

Nachdem der Pianist sein Können eindrucksvoll demonstrierte und Rachmaninoffs Präludium Nr. 5, g-Moll mit verbundenen Augen spielte, kommen sie endlich – Stan und Olli, hierzulande als Dick und Doof bekannt. Die Filme sind Kult. Warum, ist schnell klar. Das tolpatschige Komiker-Duo Stan Laurel und Oliver Hardy verwandelt das Publikum in eine lachende Masse. Zu komisch, wenn beide sich eifersüchtigen Schranzen erklären müssen.

Das kollektive Lachen im Saal erreicht einen Höhepunkt nach dem anderen, sei es bei ihren Abenteuern auf dem Friedhof oder bei ihrem verzweifelten Bemühen, Weihnachtsbäume zu verticken. Diese Filme sind einfach wahre Klassiker. Die haarsträubende Handlung, die Gags, das Kopfkratzen mit Geräusch, allein die Blicke der Helden – alles so genial gemacht, dass es auch das heutige Publikum, das 3-D-Brillen kennt, abendfüllend unterhalten kann.

Der Pianist brachte mit seinen Kompositionen und Interpretationen zusätzlich Frische in die Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Er betonte an dramatischen Stellen und überzeugte mit virtuosem Spiel. Es darf so etwas gern öfter geben: das Format Stummfilmkonzerte, die den Genuss von Musik und alter Filmkunst trefflich kombinieren.