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Klein Germersleben Wie ein Dorf Geschichte schreibt

Die Klein Germersleber haben mit ihrer Sommerfest-Idee am Sonnabend zehnjähriges Jubiläum gefeiert.

Von Sabrina Trieger 18.08.2015, 01:01

Klein Germersleben l Ein besonderer Anlass verlangt nach einer besonderen Idee: Genau die hatte anlässlich des zehnten Sommerfestes, zu dem traditionell die St.-Aegidie-Gemeinde gemeinsam mit dem Heimatverein in die Klein Germersleber Kirche einlädt, Pfarrer Peter Telschow.

Vor einem Jahr ebenfalls in jenem feierlichen Sommerfest-Rahmen in den Ruhestand verabschiedet, hatte er zum zehnjährigen Jubiläum am Sonnabend mit dem „Rötgerspiel“ nicht nur für eine Premiere sondern auch für Unterhaltung gesorgt. Knapp hundert Besucher schenkten der Aufführung kräftigen Applaus.

„Das Stück, das ich zu Ehren von Gotthilf Sebastian Rötger, der in Klein Germersleben geboren wurde und Probst des Magdeburger Klosters Unser Lieben Frauen war, geschrieben habe, ist übrigens frei erfunden“, merkt der Pfarrer, der mit seiner Pensionierung vor einem Jahr drei Jahrzehnte lang das Gemeindeleben sowohl in Klein Germersleben als auch in Bottmersdorf maßgeblich mitgestaltet hatte, auf Nachfrage an.

Die Szenerie in der Kirche nahm die Zuschauer mit ins Jahr 1793: Pfarrer Telschow, der in die Rolle des Gotthilf Sebastian Rötger geschlüpft war, hatte zu Aufnahmegesprächen zur Vergabe von drei Pädagogik-Studienplätzen eingeladen.

Vier Bewerberfamilien sprachen Rötger als Probst des Klosters, dem Bürgermeister von Magdeburg (gespielt von Ortschef René Gehre) und den Vertretern aus Wissenschaft (Gunther Zeuner), der Zünfte (Fred Zeppernick) und von Kunst und Musik (Stephan Becker) vor. Sie traten bei der Studienplatz-Vergabe als Rat auf, der die Eigenständigkeit und Entscheidungsgewalt des Klosters Unser Lieben Frauen zu beeinflussen versuchte. In der Rolle des Schulmeisters war Norbert Finke zu erleben.

Jenes feine Spiel der Laiendarsteller überzeugte und amüsierte das Publikum gleichermaßen.

Um das Stück zu Papier zu bringen, hatte Pfarrer Peter Telschow die Feder im Juni gespitzt. Die erste Probe hatte es mit allen Beteiligten Ende Juli, die Generalprobe vergangenen Freitag gegeben.

Als Bettler verkleidet hatte Dr. Rolf Heinrichs gleich zu Beginn des Stücks Geld eingesammelt. Die Summe von 100 Euro wanderte als Kollekte in die Gemeindekasse.

Musikalisch umrahmt wurde die Ur-Aufführung von Christel Telschow und Susanne Heinrichs aus Domersleben. Auch sie waren passend zur „Rötgerspiel“-Zeit gekleidet. „Sämtliche Kostüme haben wir im Klein Oschersleber Verleih gefunden“, erzählt die Pfarrersgattin. Bereits im Vorjahr hatten die Klein Germersleber dem großen Sohn des Dorfes, Gotthilf Sebastian Rötger (1749-1831), zu Ehren, im Pfarrhaus eine Dauerausstellung eingerichtet und eingeweiht. Rötger, der als Pädagoge und Schulreformer Anerkennung fand, hat unter anderem das Zensurensystem eingeführt.

Eine glatte Eins vergaben der Festspiel-Besucher nicht nur für die „Rötgerspiel“-Idee, sondern auch für die Darbietung der Akteure und den Unterhaltungsfaktor. Stimmungsvoll und gesellig klang das zehnte Sommerfest im Kirchgarten aus.