Fahrradnomaden 671 unterwegs

In gut drei Stunden sind rund 80 Zuhörer mit den Fahrradnomaden Sabine und Jens Kunze bei ihrem Vortrag um die Welt gereist.

Von Yvonne Heyer 01.03.2017, 11:00

Altenweddingen l Doch ehe die Thüringer Sabine und Jens Kunze in den Mittelpunkt des Geschehens rückten, die ersten Fragen der Fotoshow-Besucher beantworteten, stahlen ihnen die Fahrräder, mit denen sie mehr als 29 000 Kilometer zurücklegten, die Schau. Die Räder, nach den Wünschen der Fahrradnomaden gebaut, wurden samt der Gepäcktaschen genau unter die Lupe genommen. Kritisch beäugt und betastet wurden vor allem die Sattel. Die einhellige Meinung: ziemlich hart und so gar nicht gepolstert. „Die sind richtig gut, echtes Leder“, erklärt Jens Kunze. Ehe er sich mit seiner Frau in das Abenteuer der Weltumradelung stürzte, waren beide schon viel Fahrrad gefahren, der „Allerwerteste“ also entsprechend vorbereitet worden.

Ja, nach etlichen längeren Touren mit den Fahrrädern im Urlaub entstand irgendwann die Idee, Arbeit Arbeit sein zu lassen, Abschied zu nehmen und eine Reise um die Welt zu starten. Für den Rest der Familie, wie Schwester, Schwager und Kinder kam es nicht überraschend, als Sabine und Jens Kunze ihr Vorhaben verkündeten. Hab und Gut wurde verkauft, eingelagert und das notwendigste in die Fahrrad-taschen gepackt. Schließlich die Wohnung gekündigt. „Als wir uns beim Ordnungsamt abmeldeten und den Stempel „wohnungslos“ bekamen, war dies schon ein ziemlich merkwürdiges Gefühl. Nun wurde es also ernst, gab es kein Zurück mehr“, erinnert sich Jens Kunze. In Altenweddingen starteten die Fahrradnomaden am 25. März 2012 nach dem Abschied von der Familie ihre große Reise, die ein Jahr lang akribisch vorbereitet worden war. Dazu gehörte auch ein Impfmarathon, der sechs Monate dauerte. Zwei Jahre waren eingeplant. Dank moderner Technik, natürlich befand sich ein Laptop im Gepäck, wurde auch mit der Familie übers Internet telefoniert.

Während der Fotoshow im Altenweddinger Gemeindesaal nahmen Sabine und Jens Kunze die Zuschauer mit auf eine abenteuerliche Reise über mehrere Kontinente. Von Altenweddingen aus ging es entlang der Elbe in Richtung Süden.

Der Tagesablauf spielte sich ein und während ihrer ganzen Reise stellten die Fahrradnomaden fest, dass sie morgens ziemlich trödelig waren und ziemlich lange brauchten, bis zu anderthalb Stunden, für Körperhygiene, Frühstück und Zelt verpacken, ehe sie sich schließlich auf die Räder schwangen. Die Wäsche wurde im Waschsalon und eben auch mal im Dorfbrunnen gewaschen. Praktisch war es in einigen Ländern, auf dem Areal von Tankstellen zu zelten. Aber nicht überall war das „wilde“ Zelten erlaubt und so erlebten die Kunzes auch mal brenzlige Situationen. Richtig gefährlich war es aber nie. In Australien war das Areal an Grundschulen ein idealer Zeltplatz und morgens wurden die Kunzes von den Grundschülern geweckt.

Für Länder wie dem Iran und China dauerte das Warten auf ein Visum länger und Sabine und Jens Kunze mussten auch mal in die Trickkiste greifen, um das Warten abzukürzen. Dass Sabine Kunze für das Visum in den Iran sich verhüllen musste, sorgte bei den Zuschauern angesichts des Passbildes für großes Lachen.

Die sorgfältig zusammengestellte Reiseapotheke musste so gut wie nie benutzt werden. Vier, fünf Mal hieß es Magen-Darm-Alarm, einmal war Jens Kunze so schwer gestürzt, dass die Abschürfungen für eine Zwangspause von gut 14 Tagen sorgten.

Körperhygiene? Wie oft war das Duschen möglich? „Eigentlich täglich“, so Jens Kunze und demonstrierte in einer Faltschachtel das „Duschbecken“, in dem sogar ein Fußbad möglich war. Eine 1,5 Liter Flasche, gefüllt mit heißem Wasser sei eine ideale Wärmflasche für die Schlafsäcke gewesen. So ließen sich bis zu minus 16 Grad im Zelt aushalten.

Insgesamt 671 Tage waren die Fahrradnomaden unterwegs. Sie bereisten 30 Länder, legten 29044 Kilometer zurück. Den höchsten Gebirgspass bewältigten sie mit dem Abru la Raya in Peru mit 4338 Kilometern. Gerade der Weg durch die Länder der sogenannten dritten Welt haben tiefe Eindrücke bei dem Ehepaar, das heute in Erfurt lebt, hinterlassen.

„Ja wir radeln noch, haben schon wieder Fahrradurlaub gemacht,“ berichten die inzwischen dreifachen Großeltern.