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Rappbodetalsperre Polizei verhindert Wettrennen

An der Rappbode-Talsperre hat die Polizei ein illegales Autorennen verhindet. Die Szene versucht, das Ganze als Fantreffen klein zu reden.

Von Dennis Lotzmann 12.10.2015, 21:11

Halberstadt/Rübeland l Aufgereihte Autos auf der Krone der Rappbode-Talsperre, einige davon ausgestattet mit Startnummern in der Frontscheibe. Ein Bild, mit dem sich Polizeibeamte am Sonnabendabend, 10. Oktober, konfrontiert sahen. Ein Zeuge hatte sie über ein illegales Autorennen im 200 Meter langen Rappbode-Tunnel informiert. Vor Ort stießen die Beamten gegen 19.40 Uhr tatsächlich auf Rahmenbedingungen, die den Verdacht eines illegalen Rennens stützten: Neben besagten Fahrzeugen, die quasi in der Startposition zu stehen schienen, hatten sich nach Angaben eines Polizeisprechers beiderseits der Tunnelröhre mehrere hundert Personen versammelt – offenkundig das Publikum.

Obendrein, so der Leitende Einsatzbeamte am Wochenende, sei der Parkplatz am Tunnelende ausgelastet gewesen. Von rund 300 Autos aus Sachsen-Anhalt, Sachsen sowie Thüringen und Niedersachsen und rund 500 Personen sei auszugehen, präzisierte ein Polizeisprecher am Montag. Doch was war nun wirklich der Anlass für das Treffen? Ein Autorennen, wie die Polizei sagt? Oder eine banale Zusammenkunft der Tuningszene, wie es in einschlägigen Foren heißt? Spät am Abend wohlgemerkt, bei Dunkelheit und Temperaturen um den Gefrierpunkt.

Für die Polizei gibt es keine Zweifel, wie der Harzer Reviersprecher Uwe Becker erklärt. „Da hatten offenbar getunte, also aufgemotzte, Fahrzeuge mit Startnummern Aufstellung genommen“, berichtet der Hauptkommissar. Über die genaue Zahl derartig vorbereiteter Autos hält sich Becker mit Blick auf die laufenden Ermittlungen bedeckt. Zumal es offenbar einigen potenziellen Fahrern gelang, die Startnummern – und damit den Beweis für die beabsichtigte Rennteilnahme schlechthin – verschwinden zu lassen.

Nach Beckers Worten habe die Polizei mit ihrem Einsatz Wettfahrten und riskante Fahrmanöver im Tunnelbereich verhindert. Und: „Wir prüfen darüber hinaus, ob gegen einzelne Fahrzeugführer, die anhand der Startnummern unschwer als Rennteilnehmer zu erkennen waren, Verfahren eingeleitet werden.“

Herangezogen werde dabei Paragraph 29 der Straßenverkehrsordnung, in dem die „übermäßige Straßenbenutztung“ und insbesondere Rennen geregelt seien. „Verstöße dagegen sind Ordnungswidrigkeiten, die mit 400 Euro Bußgeld, zwei Punkten im Verkehrszentralregister und einem Monat Fahrverbot geahndet werden“, so der Hauptkommissar. Veranstaltern nicht genehmigter Rennen drohe 500 Euro Geldstrafe.

Der Tunnel an der Talsperre ist in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz von illegalen Rennen von Auto- und Motorradfahrern gewesen. Dabei ist es mitunter zu Unfällen gekommen.Während die Polizei von einer „ausgelassenen Partystimmung“, einem trotz fortgeschrittener Zeit geöffneten Kiosk und der Präsenz eines Abschleppwagens berichtet, wird in einschlägigen Foren versucht, jegliche Verantwortung für Rennen von sich zu weisen. Man lehne Raserei im Tunnel ab und begrüße die installierten Rüttelstreifen als Tempobremse, heißt es auf der einen Seite.

 

Andererseits finden sich im Forum klare Worte Richtung Polizei: „Gut was los hier, leider sind die Streifenpolisten auch dabei, daher Spaß beschränkt“, heißt es beispielsweise. Und: „immer diese spaßbremsen. die sollen ma besser Verbrecher fangen als friedliche leute zu nerven...“, heißt es in bestem Netzwerk-Deutsch. Ein Nutzer geht noch weiter und rät mit klarer Adresse: „Die spassten“ sollten sich mal lieber um die „gestörten Flüchtlinge“ kümmern. Ein anderer wiederum bestätigt mit seinem Eintrag die polizeilichen Erkenntnisse und schreibt von einer „Rennleitung“.

Der Tunnel an der Talsperre ist in der Vergangenheit immer wieder Schauplatz von illegalen Rennen von Auto- und Motorradfahrern gewesen. Dabei ist es mitunter zu Unfällen gekommen.

Zuletzt registrierte die Polizei vor knapp einem Jahr – am 19. Oktober 2014 – eine Tragödie in der Tunnelröhre. Laut Zeugen, so ein Polizeisprecher seinerzeit, habe ein damals 29 Jahre alter Opelfahrer sein Fahrzeug so stark beschleunigt, dass er die Kontrolle über das Auto verlor und nach links über die Gegenfahrspur auf den dortigen Fußweg schleuderte. Dort wurde eine 34-jährige Fußgängerin erfasst und schwer verletzt.

Knapp ein Jahr später kämpft das Opfer weiter mit den Folgen der Verletzungen und ist nur eingeschränkt erwerbsfähig.

 

Die Hintergründe dieses schweren Unfalls sind bislang unklar. Ein Fahrfehler scheint ebenso möglich wie eine bewusst herbeigeführte Extrembeschleunigung, die in den Kontrollverlust über das Fahrzeug mündete. Das Unfallauto, das unter anderem, mit einem Überrollbügel ausgerüstet war, lässt motorsportliche Ambitionen erkennen.

Die Staatsanwaltschaft hat den Autofahrer aus Wernigerode mittlerweile wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und Körperverletzungen angeklagt. Einen Termin zur Verhandlung vor dem Amtsgericht Wernigerode gebe es bislang noch nicht, so der Magdeburger Landgerichtssprecher Christian Löffler. Das Gericht habe zu einem vorliegenden Sachverständigen-Gutachten im Sommer noch ergänzende Angaben erbeten. Erst danach sei ein Prozessauftakt denkbar.