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Müllentsorgung Keine gelbe Tonne für Wernigerode

Gelber Sack oder Gelbe Tonne? Vor allem nach Stürmen beschäftigt die Wernigeröder die Frage. Dahinter steckt ein komplexes Entsorgungssytem.

Von Jörn Wegner 05.03.2016, 00:01

Wernigerode l Wenn der Sturm geht, bleibt oft der Müll in Wernigerode zurück. Eineinhalb Tage hat es gedauert, bis die Straßen nach der jüngsten Sturmnacht wieder vom Abfall befreit waren, sagt Frank Schmidt, Leiter des Wernigeröder Gartenamts. 20 seiner Mitarbeiter mussten ausrücken, um die Stadt wieder in Ordnung zu bringen.

Für viele ist der Schuldige klar: der Gelbe Sack. Zu dünnhäutig ist er, ganz im Gegensatz zur stabilen Gelben Tonne. Immer wieder erfolgt der Ruf nach der Kommunalpolitik, die Zustände zu ändern.

Doch die ist bei der Entsorgung von Verpackungen mit dem grünen Punkt machtlos. Sogenannte Systembetreiber organisieren die Beseitigung der Leichtverpackungen in Deutschland. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Entsorgungsbetrieben, wobei für jede Region ein Unternehmen zuständig ist. Die Entsorgung im Harzkreis übernimmt Bellandvision. Das Unternehmen mit Sitz in Bayern legt auch die Dicke der Säcke fest. „So dick wie nötig, so dünn wie möglich“ sollen sie sein, erklärt Unternehmenssprecher Philipp Saar.

In einer Ausschreibung legt der Systembetreiber die Kriterien fest, unter denen der Verpackungsmüll vor Ort entsorgt wird. In dem mehrseitigen Schriftstück ist auch die Stärke der Säcke festgelegt. Unter „Gefäßart“ heißt es in der Harzer Ausschreibung: „transparente gelbe Säcke mit Zugband“. Als Mindeststärke sind 15 Mikrometer für Säcke aus hochverdichtetem Polyethylen (HDPE) vorgeschrieben. Der Entsorger könnte sich auch für niedrig verdichtetes Polyethylen (LDPE) mit einer Mindeststärke von 22 Mikrometern entscheiden.

Verantwortlich für die Verpackungs- entsorgung im Harzkreis ist die Abfallwirtschaft Nordharz. Das Remondis-Tochterunternehmen kauft auch die Säcke ein. „Der Systembetreiber möchte die Entsorgung so kostengünstig wie möglich halten“, sagt Dirk Hirschfeld. Der Abfallwirtschaft-Geschäftsführer ist selbst ein Gegner der gelben Säcke. „Ich persönlich finde das hinterwäldlerisch“, sagt er im Volksstimme-Gespräch. Dabei geht es ihm nicht nur um den Müll, der die Stadt verschandelt. „Die Kollegen müssen sich jedesmal bücken. Eine Tonne könnten sie stehend bewegen.“ Auch würden die Säcke Ungeziefer anlocken.

Trotzdem ist der Umstieg von Sack auf Tonne mit einigen Anstrengungen verbunden, erklärt Hirschfeld. „Fahrzeuge, die nur Säcke verladen, haben keine Schüttvorrichtung für Tonnen.“ Tonnenfahrzeuge wiederum haben eine solch hohe Ladekante, dass den Mitarbeitern nur die Entsorgung einzelner Säcke zuzumuten wäre.

Die Frage zwischen Sack und Tonne ist auch über die Beschaffung von neuer Fahrzeugtechnik hinaus eine Kostenfrage. „Die Tonne ist grundsätzlich teurer“, räumt Bellandvision-Sprecher Saar ein. Für den Entsorger in Reddeber stellt sich die Kostenfrage noch einmal anders. „Wir kaufen pro Jahr acht Millionen Säcke“, sagt Hirschfeld. Jeder der rund 219000 Einwohner des Kreises verbraucht so 37 Säcke im Jahr beziehungsweise drei Säcke im Monat. Die hohe Zahl liege an der verbreiteten Zweckentfremdung, so Hirschfeld. Nur etwa die Hälfte werde gefüllt wieder eingesammelt.

Zwischen dem Systembetreiber und der Abfallwirtschaft Nordharz steht die kommunale Entsorgungswirtschaft (Enwi). „Wir schauen, dass die Vereinbarungen eingehalten werden“, sagt Enwi-Vorstand Michael Dietze. Auch sein Unternehmen favorisiere die gelbe Tonne, sei allerdings machtlos, genauso wie die Politik: „Das System ist rein privatwirtschaftlich organisiert.“

Dietze erinnert an eine alte Abfrage, welches System die Wernigeröder favorisieren. „Vor vier, fünf Jahren“ habe es dabei eine knappe Mehrheit für den gelben Sack gegeben. „Wir haben versucht, die gemischte Stimmung an den Systembetreiber heranzutragen.“

„Den Wechsel zur gelben Tonne werden wir vorerst nicht haben“, sagt Dietze. Grund dafür ist die Bundespolitik, die derzeit über ein neues Entsorgungsgesetz diskutiert. „Dann sollen intelligente Fehlwürfe legal werden“, sagt Bellavision-Sprecher Philipp Saar. „Intelligente Fehlwürfe“, das ist das, was viele heute schon tun: sämtliche Kunststoffe im gelben Sack entsorgen, obwohl nur Verpackungen zulässig sind.

Wenn sich die Gesetzeslage ändert, könnte bundesweit eine Wertstofftonne den gelben Sack und die gelbe Tonne ersetzen. Philipp Saar rechnet mit einer Entscheidung bis zum Sommer dieses Jahres. Die Wertstofftonne ist schon heute in vielen Kommunen Deutschlands Realität. Berlin und Hannover zum Beispiel haben die Sammlung von Verpackungsmüll und Wertstoffen bereits verbunden.