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Traumjob Ein Türmer aus Leidenschaft

Für ihn ist es der schönste Job in der Welt. Wolfgang Piechota schließt die Tür zum Wernigeröder Liebfrauenkirchturm auf.

Von Uta Müller 21.09.2016, 23:01

Wernigerode l 132 Stufen – und dann eröffnet sich ein malerischer Blick über Wernigerode und auf den Brocken. „Bei schönem Wetter können von hier aus die schönsten Bilder von Wernigerode gemacht werden“, sagt Wolfgang Piechota. Der 70-Jährige muss es wissen. Er ist es nämlich, der Besuchern die Tür zum Turm der Liebfrauenkirche öffnet. Nach langer krankheitsbedingter Pause hat er vor kurzem wieder seinen Dienst aufgenommen.

Seit 2005 ist der Wernigeröder als Türmer in dem 61 Meter hohen Bauwerk tätig. Wochenende für Wochenende. Er hat Gästen aus der ganzen Welt die Aussicht vom Liebfrauenkirchturm gezeigt. Besucher aus Russland, Usbekistan, Dänemark, Taiwan, Brasilien, Togo, Syrien, Thailand, den Philippinen und sogar Grönland haben sich in seine Gästebücher eingetragen. Die fünf dicken Bände hütet der Rentner wie einen Schatz. Begeistert zeigt er persische, chinesische und indische Schriftzeichen. Was sie bedeuten, weiß er nicht, aber die Kunstfertigkeit der Handschrift erfreut ihn.

Auf beinahe jeder Seite findet er schöne Erinnerungen. „Es fehlen nur noch das Fürstentum Andorra, Vatikanstadt und Finnland, dann waren Besucher aus ganz Europa hier.“ Vor allem Gäste aus den Niederlanden, die den Harz zuhauf bereisen, seien von der Aussicht besonders begeistert. „Sehen Sie mal hier, da hat sich ein Bischof aus Indien eingetragen.“ Vier Wochen später seien Besucher aus Schottland auf diesen Eintrag gestoßen. „Sie berichteten mir, dass sie früher in Indien lebten und dieser Bischof ihr Nachbar war.“ Solche Geschichten erzählt Wolfgang Piechota gern.

Ein Schild in der Türmerstube verweist auf Wolfgang Piechotas Vergangenheit: „Einst in Stürmen, heut auf Türmen.“ Als junger Mann fuhr er einige Zeit zur See. Danach arbeitete er lange Jahre als Glasreiniger. Als Rentner hat er nun den Job seines Lebens gefunden.

Übrigens: Der Turm der Liebfrauenkirche wurde 1841 fertig gestellt und trägt vier kleine Spitzhelme. Dem Besucher bietet er durch seine Lage inmitten der Altstadt einen Rundblick über den Harz mit Brocken und ins Harzvorland. Der Türmer erwartet seine Besucher jeden Sonnabend von 10 bis 16 Uhr und Sonntag ab 13 Uhr zum Turmaufstieg.