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Schwerer Unfall Mühlental-Bewohner schlagen Alarm

Nach einem schweren Verkehrsunfall auf der B 244 am Ortsausgang von Wernigerode fordern die Mühlental-Anwohner: Ortsschild versetzen.

Von Holger Manigk 01.02.2017, 00:01

Wernigerode l Er wird hoffentlich wieder der alte. Annett Vaeckenstedt schaut ihrem Ehemann Veit in die Augen und sagt: „Du hast richtig viel Glück gehabt.“ Dann bringt das Pferdezüchter-Ehepaar den schlimmen Unfall in Erinnerung, der ihr Leben noch eine ganze zeitlang einschränken wird: Es ist der 30. Dezember 2016, gegen 14.20 Uhr. Veit Vaeckenstedt chauffiert mit seiner nigelnagelneuen Kutsche ein Urlauberpärchen aus der Stadt heraus. Sie wollen durch das Kalte Tal hinaus in den Wald.

Plötzlich kracht es auf der B 244 in Höhe des Buswendeplatzes hinter dem Ortsausgang von Wernigerode. „Ich hörte einen heftigen Knall, sofort stockte mir der Atem“, berichtet Annett Vaeckenstedt. Noch ahnt sie nicht, dass nur wenige hundert Meter von ihrem Hof im oberen Mühlental entfernt ihr Ehemann in einen folgenschweren Unfall verwickelt ist.

Ein 20-jähriger Pkw-Fahrer aus Elbingerode fuhr laut Polizeibericht von damals mit hoher Geschwindigkeit auf die Kutsche auf. Er und der Beifahrer werden verletzt, ebenso Kutcher und beide Fahrgäste.

„Ich flog kopfüber im hohen Bogen vom Bock und landete im Straßengraben“, erinnert sich Veit Vaeckenstedt. Er kann sich nicht bewegen, liegt reglos da, sorgt sich um die Fahrgäste und seine Pferde: „Ich sah sie nur noch humpelnd davon laufen, zum Glück laufen sie Richtung Wald, nicht auf die Straße, dachte ich noch.“

Auf der Gegenfahrbahn halten Autos, Leute kümmern sich um die Verletzten, rufen Polizei und Rettungsdienst, sorgen sich um die Haflingerpferde. „Sie kannten sich aus, so wie sie die Tiere beruhigten und wussten, was zu tun ist“, sagt Annett Vaeckenstedt, die inzwischen mit dem Sohn zur Unfallstelle geeilt ist. Ihr Mann selbst hat sie angerufen und vom Unfall erzählt. Da liegt er schon im Krankenwagen, wenig später wird entschieden: Der Schwerverletzte wird per Hubschrauber in die Unfallklinik nach Nordhausen transportiert. Grund: Es handelt sich um einen Berufsunfall.

Die Tätigkeit als Pferdezüchter, Reitlehrer, Gespannführer und Chef des Landwirtschaftsbetriebes kann Veit Vaeckenstedt an den Nagel hängen. Bei dem Unfall sind eine Rippe und zwei Lendenwirbel gebrochen. Letztere sind mit einer Metallplatte fixiert worden. „Ich werde wohl im günstigsten Fall ein Jahr ausfallen, haben mir die Ärzte gesagt.“ Der 46-Jährige will kämpfen, um seine volle Genesung, von der seine Existenz abhängt, und: „gegen die Raserei auf der B 244 am Ortsausgang“. Seine Frau fügt hinzu: „Das ist uns sehr wichtig, und nicht nur für uns.“

Sie selbst ist mit der Kutsche oftmals unterwegs. „Jedes Mal stehen mir die Angstperlen auf der Stirn, wenn ich von unserer Zufahrt nach links auf die Bundesstraße abbiegen muss.“ Ihre Gedanken kreisen, „hoffentlich schaffe ich es rechtzeitig“, denn die Rücksichtnahme auf Pferdekutschen lässt vielfach zu wünschen übrig. „Dabei gehören sie ebenso zu den Verkehrsteilnehmern wie jeder andere.“

Sorgen haben die Vaeckenstedts auch um die Kinder, die zu den Reitstunden mit dem Bus anreisen und die im gegenüberliegenden neuen Wohngebiet zu Hause sind. „Die Haltestellen liegen direkt am Fahrbahnrand einer Straße, auf der 70 erlaubt ist und sich viele nicht an das Tempo halten“, sagt Annett Vaeckenstedt. Außerdem seien im oberen Mühlental ein Campingplatz, Hotels und Tennishalle.

„Hier oben hinterm Ortsschild wohnen eben noch Menschen und verbringen Touristen ihren Urlaub, für deren Sicherheit endlich mehr getan werden muss.“ Dafür haben die Vaeckenstedts konkrete Vorstellungen: Das Ortsschild versetzen, in Richtung Elbingerode. Tempo 70 mindestens bis zum Abzweig Kaltes Tal, weil sich dort ein Wanderparkplatz befindet. Von dort aus sei es wegen des Kurvenbereichs mordsgefährlich, auf die Hauptstraße abzubiegen. „Außerdem nutzen viele Radtouristen die B 244 bis zum Abzweig für ihre Touren durch den Harz“, sagt Veit Vaeckenstedt. Zu allerletzt noch ein Wunsch in eigener Sache: „Es wäre schön, wenn man am Straßenrand das Warnschild ‚Vorsicht Pferde‘ aufstellt.“

Wunschdenken? Zumindest nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft. Der Kutschen-Unfall hat die Anwohner im oberen Mühlental wachgerüttelt. Seit 2014 kämpfen sie gegen die Gefahr auf der Straße vor ihren Haustüren. „Es war nur eine Frage der Zeit, dass ein schwerer Unfall passiert“, sagt einer von ihnen. Er und seine Nachbarn bemängeln seit zweieinhalb Jahren: Raser nutzen die Tempo-70-Zone hinter dem Ortsausgangsschild zum Überholen. Deshalb sei es als Fußgänger oder Radfahrer kreuzgefährlich, die Straße zu überqueren – so wie es jeden Tag Schulkinder aus dem Wohngebiet müssen.

Von Rasern kann auch die Betreiberin des Sporthotels Wernigerode berichten. „Ganz schlimm ist es, wenn die Motorradfahrer aufdrehen, der Lärm ist unerträglich.“ Das bekommen dann die Gäste im Biergarten ungefiltert serviert. „Das möchte keiner haben.“ Aus ihrer Sicht wäre die Versetzung des Ortsschildes „eine gute Sache“. Das unterstützt auch Michael Baumgarten als Chef des Tennis-Clubs Wernigerode und Vater einer Tochter, wenn auch schon erwachsen. Die Kinder trainieren in den Wintermonaten in der Tennishalle, die zum Sporthotel gehört. „Ihre Sicherheit sollte jedem wichtig sein.“

Neben der Versetzung des Ortsschildes auf der Bundesstraße 244 weiter in Richtung Elbingerode fordern die Mühlental-Bewohner auch die bessere Ausleuchtung der Straße. „Wir gehören auch zu Wernigerode, fühlen uns aber abgeschnitten vom Rest der Stadt“, sagt ein Anwohner. Zusätzlich sollte eine Querungshilfe über die vielbefahrene Straße eingerichtet werden, um den Mühlental-Kindern einen sicheren Schulweg zu garantieren.

All die Forderungen sind im Rathaus bekannt, wie Ordnungsdezernent Volker Friedrich auf Volksstimme-Anfrage bestätigt. Obwohl die Stadtverwaltung Wernigerode nicht in allen Punkten zuständig ist, bemüht er sich um Antwort: Eine Querungshilfe außerhalb der Ortschaft, „geht nicht“. Das Ortsschild zu versetzen, wofür die Kreisbehörde zuständig ist, „da habe ich wenig Hoffnung“, sagt Friedrich und kommentiert lakonisch: „Dafür braucht man drei Staatsverträge.“ Der Antrag seitens der Stadt sei jedoch gestellt, mit der Bitte, dass die Kreisbehörde Alternativen vorschlägt.

Was den Weg entlang der Straße betrifft, soll dieser mit Schotter befestigt werden, auch sei die Verbesserung der Straßenbeleuchtung „immer wieder Thema“.

Wenig mehr ist in der Kreisverwaltung zu erfahren. Auf Nachfrage teilt Sprecherin Ingelore Kamann mit, der Antrag auf Verlegung der Ortstafel liege in der Straßenverkehrsbehörde vor und sei in Bearbeitung. „Diese hat sich aufgrund des krankheitsbedingten Ausfalls der zuständigen Mitarbeiterin leider verzögert.“