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Abbenrode Tante-Emma-Laden kehrt zurück

Auf ihren Tante-Emma-Laden an historischer Stelle in Abbenrode ist das Ehepaar Schubert stolz. Die „Abbotheke“ wird im Dorf geschätzt.

Von Regina Urbat 16.10.2016, 01:01

Abbenrode l Die beschwerlichen Wochen und Monate sind vergessen. Tanja und Thomas Schubert haben für sich und ihre „Abbotheke“ ein neues Zuhause geschaffen. Aus einem verfallenen und sehr sanierungsbedürftigen Gebäude mitten in Abbenrode ist ein schöner Hof mit Wohnhaus und Laden entstanden. Es ist ein richtiger „Tante-Emma-Laden“, sagt Tatjana Schubert.

Die 54-Jährige ist die Chefin, die von ihrem Ehemann tatkräftig unterstützt wird. „Oh ja, er hilft, wo er kann.“ An diesem Tag besonders, denn der 57-jährige Ingenieur, der beruflich in Salzgitter tätig ist, hat Urlaub. So sortieren beide gemeinsam die Waren in die Regale und füllen einen Rollwagen mit Paketen und Briefen der Kunden für den Postboten. Sie fühlen sich wohl in dem neuen Domizil in der Langen Straße 21. „Geschäft und Wohnung unter einem Dach zu haben, hat Vorteile“, sagt Thomas Schubert, während seine Frau Tatjana stolz ergänzt: „In diesem Haus wurden früher über Jahrzehnte schon Lebensmittel verkauft.“

Das sanierte Kleinod ist eines mit Geschichte in Abbenrode: Vor über 150 Jahren befand sich hier der kleine Kolonialwarenladen von Ernst Körber, der um 1892 von Erich Weihe übernommen wurde. Dieser führte ihn bis 1912, bis er eine Stelle bei Karstadt in Braunschweig angeboten bekam. Danach übernahm Friedrich Wrackmeyer den Laden und bot alles an, was ein „Manufaktur-, Kurz- und Materialladen“ so führte. Einen Nachfolger hatte er in der Familie, seinen Sohn Kurt.

Die sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse machten vor dem Kaufladen von Kurt Wrackmeyer nicht halt. Der Konsum übernahm die Geschäftsstelle in den 1960er Jahren und setzte ihn als Verkaufsstellenleiter ein. Dem „Konsum“-Lebensmittelladen war in der freien Marktwirtschaft nach der Wende kein Überleben beschieden. Er wurde – wie alle Verkaufsstellen in Abbenrode – bald geschlossen.

Dabei sollte vor Ende der DDR noch eine große Kaufhalle gebaut werden, mit Post und sonstigen Service-Leistungen. Viele Abbenröder halfen beim Bau des neuen Einkaufsmarktes mit, leisteten sogenannte Nationale-Aufbauwerks-, kurz NAW-Stunden. Der Rohbau stand, doch ohne Dach. Das war das Aus. Der Konsum zog sich zurück, die Bauruine wurde Mitte der 1990er Jahre abgerissen.

Im neu entstandenen Gemeindehaus in der Langen Straße 7 zog ein privat geführter Lebensmittelladen ein, der ständig ums Überleben kämpfen musste. 2011 war dann Schluss. Für Tanja und Thomas Schubert bot sich eine Chance. Den Traum vom eigenen Laden verfolgten sie schon lange. Zwar waren die zu mietenden Räume sehr groß, aber man wollte es versuchen. Namensgeber war der Mönch „Abbo“, der nach der Überlieferung die Gemeinde Abbenrode gegründet hatte. Er sollte nun seine „Schäfchen“ im Ort versorgen. Im Sommer 2011 eröffnete Tatjana Schubert die „Abbotheke“ im Gemeindehaus.

Es war ein täglicher Kampf, den Bedürfnissen der Käufer gerecht zu werden. Hinzu kam, dass die Bedingungen nicht optimal waren. „Der Laden war zu groß und nicht ausreichend isoliert“, sagt Thomas Schubert. Auf der Suche nach einem passenderen Objekt stieß das Ehepaar auf das Verkaufsangebot des „Wrackmeyerschen“ Grundstückes, das sie im vergangenen Jahr erwarben.

Die baulichen Anforderungen samt Folgekosten waren enorm. Aber ein eiserner Wille versetzt auch manchmal Berge, auch mit großen Opfern. So verkauften die Schuberts ihr eigenes neues Haus, kontaktierten Architekten, holten Angebote ein und planten. Ab sofort gab es keine Freizeit mehr. Vieles wurde selbst gemacht. Finanzielle Unterstützung bekamen sie über das EU-Förderprogramm Leader für die Dach- und Fassadensanierung.

Rückschläge gab es dennoch genug, Brandschutzauflagen und massive Baumängel im Altbestand des über Jahre leerstehenden Anwesens ließen die Nerven blank liegen. Die Schuberts gaben nicht auf, ihr Traum von einem liebevoll gestalteten Heim mit Wohnung und Kaufladen wurde wahr.

Dennoch gibt es für die beiden auf dem Grundstück und idyllisch gelegenen Innenhof viel zu tun. „Ich habe noch viele Ideen“, sagt Tatjana Schubert und zwinkert ihrem Mann zu. Eine soll im Frühjahr realisiert sein. „Wir wollen auf dem Hof einen kleinen Kaffeegarten einrichten“, verrät die Geschäftsfrau. Denn eins ist gewiss, die „Abbotheke“ ist längst für viele Kunden zum beliebten Treff geworden. „Ja, hier im Laden tauscht man sich gern über Neuigkeiten aus“, sagt Tatjana Schubert und lächelt.

Wer jedoch Discounterpreise im Laden erwartet, liegt hier falsch, diesen ungleichen Wettbewerb kann man nicht gewinnen. Wer aber ein wenig Dorfkultur und Lebensqualität erhalten möchte, sollte nicht auf jeden Cent achten. Die älteren und ortsgebundenen Einwohner wissen ihre Einkaufsmöglichkeit mit Poststelle und Bank im Ort längst zu schätzen. Das wissen die Schuberts und haben auch deshalb den Aufwand mit Umbau und Umzug ihrer „Abbotheke“ in die Lange Straße 21 auf sich genommen.