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Abgasskandal Harzer VW-Zulieferer erwarten harte Zeiten

Der Abgasskandal sorgt für Krisenstimmung bei Volkswagen. Wernigerode und Umgebung sind wichtige Standorte der Zulieferindustrie.

Von Jörn Wegner 08.10.2015, 01:01

Wernigerode l Auf harte Zeiten wurden die Volkswagen-Mitarbeiter auf ihrer außerordentlichen Betriebsversammlung am Dienstag eingeschworen. Die Stadt Wolfsburg, die sich bisher über sprudelnde Einnahmen aus Gewerbesteuern freuen konnte, hat vorsorglich eine Haushaltssperre verhängt.

Die Volkswagen-Krise zieht ihre Kreise. Wernigerode und Umgebung sind Standort zahlreicher Zulieferer. Wenn die Absatzzahlen in Wolfsburg einbrechen, ist auch der Harz davon betroffen.

Doch die Vertreter der in Wernigerode ansässigen Unternehmen halten sich mit Prognosen zurück. „Es ist zu früh, eine Auskunft zu geben“, heißt es zum Beispiel von Nemak. Der weltweit agierende Konzern mit Sitz in Mexiko fertigt im Gießerweg Motorblöcke. Von der Hildesheimer KSM, die am Neustadter Ring Gussprodukte für die Autoindustrie herstellt, ist ebenfalls keine ausführliche Stellungnahme zu bekommen. Man nehme im Moment eine „abwartende Haltung“ ein, heißt es lediglich aus der Presseabteilung. „Mit Interesse und auch mit angemessener Spannung beobachten wir die derzeitigen Entwicklungen bei VW. Zurzeit hat diese Situation allerdings keine Auswirkungen auf unser Werk in Wernigerode oder unsere Geschäfte“, heißt es von der Schlote-Gruppe. Das Unternehmen aus dem niedersächsischen Harsum betreibt in Wernigerode die Getriebe- und Antriebstechnik-GmbH (GAW). Alle Aussagen zur Entwicklung der Schlote-Gruppe unter dem Eindruck der VW-Krise wären derzeit „reine Spekulation“, teilt Unternehmensprecherin Ina Trümper mit. Derzeit baut die Gruppe ein zweites Werk im Gewerbegebiet Smatvelde auf, der Spatenstich erfolgte wenige Tage nach Bekanntwerden des Abgasskandals.

Redseeliger gibt sich Herbert Schneevoigt. Der 75-Jährige ist für die KruppPresta in Ilsenburg noch als Berater tätig. „Wir bereiten uns auf den Notfall vor und wollen ohne Entlassungen auskommen.“ Beispielsweise habe der größte Nockenhersteller für VW, um rechtzeitig gewappnet zu sein, Kurzarbeit angemeldet, „ohne, dass sie schon greift.“ Trotz der Krise wolle man in Ilsenburg, wo rund 900 Beschäftigte tätig sind, weiter auf Wachstum setzen. Insgesamt, so Schneevoigt weiter, empfinde er seitens der Presse eine gewisse Panikmache um den Abgasskandal.

„Das wird eine harte Zeit“, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch mit der Volksstimme. Der Professor von der Universität Duisburg erwartet starke Einbrüche vor allem bei den Mittelständlern. Sehr große Zulieferer dürften weniger Probleme haben, da sie auf weitere Kunden zurückgreifen könnten. Mittelständler, gerade in der Harzregion, seien aber von Volkswagen abhängig. „Wenn bei VW das Sparprogramm kommt, werden Investitionen zusammengestrichen“, sagt Dudenhöffer. Zulieferer würden 70 Prozent der Produktkosten eines Volkswagens ausmachen. Um die Kosten zu senken, werde Volkswagen hohe Rabatte von seinen Zulieferern fordern. „Die Zulieferer wiederum müssen überlegen, wie sie ihre Kapazitäten anpassen“, erläutert Dudenhöffer. Dass es zu Entlassungen kommt, kann der Experte nicht ausschließen, sicher vorhersagen könne man das nicht. Generell müsse man beachten, dass der Volkswagenkonzern ohnehin angeschlagen sei, etwa durch die Absatzkrise auf dem weltweiten Markt. In den USA werde es nun „katastrophenmäßig“.

Die meist mittelständischen Zulieferer hätten das Problem, dass sie nicht ohne Weiteres andere Kunden beliefern können, führt Dudenhöffer weiter aus. Gerade bei den in Wernigerode gefertigten schweren Motorblöcken sei eine räumliche Nähe zum Abnehmer wichtig. Ansonsten würden zu hohe Logistikkosten anfallen.

Bei den Händlern scheint noch keine Krisenstimmung zu herrschen. „Es läuft alles wie sonst auch“, sagt Hartmut Paschke, der Hauptgeschäftsführer der Autohaus-Wernigerode-Gruppe. Die Entwicklung des Abgasskandals möchte er jedoch erst einmal abwarten. Bei den Verkäufen, so Paschke, seien allerdings weder Einbrüche noch Steigerungen zu verzeichnen.