BrockenBergwacht schlägt Alarm

Die Bergwacht Wernigerode schlägt Alarm: Der Winterdienst für die Brockenstraße lässt stark zu wünschen übrig.

Von Dennis Lotzmann 23.01.2017, 00:01

Wernigerode/Schierke l Der Harz ein Wintermärchen, der tief verschneite Brocken ein Magnet. Tausende Besucher hat es am Wochenende auf den 1141 Meter hohen Berg gelockt. Die Retter der Bergwacht sehen das Treiben an solch herrlichen Wintertagen im Moment allerdings mit einiger Sorge. Mehr noch: Sie schlagen mit Blick auf den Räumzustand der Brockenstraße Alarm. „So wie wir das jetzt aktuell erleben, geht das nicht“, sagt Holger Müller, Chef der Wernigeröder Truppe, die auf dem Brocken zuständig ist.

„Selbst unser Allrad-Jeep, der einiges abkann, hat sich schon festgefahren. Das will was heißen.“ Für einen normalen Rettungswagen sei der Harzgipfel im Moment gänzlich unerreichbar. Nicht auszudenken, wenn ein größeres Unglück auf dem Gipfel passieren würde.

Wenn Holger Müller die Probleme aufzählt, spricht er als Rettungsprofi, der auf dem zuweilen unwirtlichen Berg schon viele Winter erlebt hat. „Es hat natürlich immer Extremsituationen mit Verwehungen oder Eisregen gegeben, wo absolut nichts mehr ging und der Mensch gegen die Naturgewalten hilflos war. Dennoch hebt sich dieser Winter in Sachen Winterdienst deutlich negativ von den vergangenen Jahren ab“, so der Bergretter.

Was einen Grund hat. Seit rund 25 Jahren hat das von dem im vorigen Jahr verstorbenen Brockenwirt Hans Steinhoff aufgebaute Steinhoff‘sche Unternehmen den Winterdienst auf der Brockenstraße – einer Kreisstraße – und dem Bergplateau erledigt. In diesem Winter hat ein anderer Anbieter den Auftrag für die Straße bekommen. Und dessen bisherige Arbeit schätzt nicht nur die Bergwacht als problematisch ein. Auch in der Wetterwarte wird die Kritik geteilt. „Das mögen Anlaufschwierigkeiten sein – auf jeden Fall gibt es noch reichlich Optimierungsbedarf“, so ein Mitarbeiter.

Damit ist nicht nur der Restschnee auf der Brockenstraße gemeint, der sich im Moment bei leichten Plusgraden in eine weiche Sulze verwandelt und zuweilen selbst Allradfahrzeuge an Grenzen bringt. „Problematisch ist, dass die geräumte Straßenbreite zu schmal ist und sich Autos praktisch nicht begegnen können“, steckt Holger Müller von der Bergwacht ein Kernproblem ab. Hinzu kämen fehlende Ausweichstellen, die Steinhoffs Team früher stets angelegt habe. Die Steinhoffs hätten auch vorsorglich die Zugänge zu Waldwegen freigelegt, sodass die Bergwacht bei Bedarf ihre Motorschlitten einsetzen konnte. „Das gibt es jetzt nicht mehr und würde uns im Notfall Probleme bereiten“, so Müller.

Dreh- und Angelpunkt des Dilemmas scheint die Neuvergabe der Räumleistung zu sein. Den Auftrag hat jetzt der Hausmeisterservice von Uwe Gebhardt aus Tanne inne. Dazu will sich Hans Steinhoffs Sohn Daniel, jetziger Chef des Brockenhotels, nicht äußern. Mit den Folgen hat aber auch er zu kämpfen. „Unser Wäschelieferant kam neulich nicht bis hoch und musste neun Kilometer rückwärts fahren. Das macht der nie wieder.“ Konsequenz: Wäsche und Lebensmittel für das Brockenhotel und die Touristenversorgung bringen nun nicht mehr Liefer-Lkw auf den Berg, sondern nach Umladen Steinhoffs Team mit Allrad-Bussen. Daniel Steinhoff braucht für das Gesamtfazit nicht viele Worte: „Es ist katastrophal.“

Doch warum das ganze Dilemma, warum die Neuvergabe? Seit es den Harz-Kreis gebe, werde jährlich neu ausgeschrieben, so Steinhoff. Hat er bei der Vergabe vielleicht zu hoch gepokert? „Keineswegs, wir haben unsere Preise seit Jahren nicht korrigiert“, betont er. Dafür sei es in diesem Winter schon so akut gewesen, dass er mit seiner Technik dem neuen Auftragnehmer geholfen habe.

Dienstleister Uwe Gebhardt wollte sich am Sonntag gegenüber der Volksstimme nicht im Detail zu den Vorwürfen äußern. „Die Kritik ist mir bekannt, alles weitere klärt bitte der Landkreis.“ Er persönlich sehe sich von Daniel Steinhoff in seiner Arbeit behindert.

Apropos Technik: Daniel Steinhoff hat – weil jahrelang beauftragt – nach eigenen Angaben Wintertechnik im Wert von rund 300 000 Euro in der Garage stehen. Er wolle nicht drohen, aber ehrlich sein. „Noch einen Winter steht die Technik nicht herum, dann geht sie weg.“ Und er macht den Verantwortlichen in der Kreisverwaltung angesichts der aktuellen Situation ein Angebot: „Ich bin für einen Betrag x noch einmal bereit, kurzfristig auszuhelfen und auf der Brockenstraße klar Schiff zu machen.“

Und – was sagt man in der Kreisverwaltung dazu? Einen Anspruch auf uneingeschränkt eis- und schneefreie Straßen gebe es nicht, heißt es. Und: „Es obliegt ansonsten den zugelassenen Straßennutzern, sich auf die winterlichen Straßenverhältnisse entsprechend einzustellen.“

Worte, die für die Retter der Bergwacht wie Hohn klingen. „Dazu fällt mir dann gar nichts mehr ein“, sagt der 43-jährige Holger Müller.