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Hexenprozesse Wernigerode erinnert an Folter und Morde

Für Wernigerode sind 59 Hexenprozesse belegt. An die unschuldigen Opfer soll mit einer Gedenktafel erinnert werden.

Von Ivonne Sielaff 19.01.2017, 00:01

Wernigerode l Schuldig im Sinne der Anklage: Hexerei, Zauberei und Teufelsbuhlschaft – so lauteten die Vorwürfe. Für die Zeit zwischen 1521 und 1708 sind insgesamt 59 solcher Gerichtsprozesse für die Stadt und Grafschaft Wernigerode belegt. Ein Teil der Angeklagten wurde hingerichtet, einige mussten die Grafschaft verlassen, andere Beschuldigte ließen die Richter frei.

An dieses dunkle Kapitel der Stadt soll nun erinnert werden. Am Freitag (11.30 Uhr) wird eine Gedenktafel eingeweiht. Ihre Inschrift: „Die Stadt Wernigerode gedenkt aller Frauen und Männer, die im Zuge der Hexenverfolgung unschuldig gefoltert und/oder verbrannt wurden“. Die Tafel steht in einer Nische der Stadtmauer in der Burgstraße. Ein unscheinbarer Ort, fast ein wenig versteckt – aber dennoch geschichtsträchtig. Gegenüber – im Alten Amtshaus, wo sich heute ein italienisches Restaurant befindet – wurden vor über 400 Jahren vermeintliche Hexen „in Güte“ befragt. Darüber thront das Wernigeröder Schloss. Dort mussten die Angeklagten bei der „peinlichen Befragung“ Folter über sich ergehen lassen.

Finanziert wird die Gedenktafel von der Stadt Wernigerode sowie dem Heimat- und Geschichtsverein. Doch bis zu ihrer Einweihung war es ein langer Weg. Den Anstoß gaben 2011 ausgerechnet die Düsselhexen – jene Freundesgruppe, die jedes Jahr zu Walpurgis als Hexen und Teufel kostümiert Wernigerode unsicher macht. „Vor Jahren hat uns eine Frau angesprochen. Sie wies uns auf den ernsten Hintergrund der Walpurgis-Feierlichkeiten hin und auf die unschuldigen Opfer“, erinnert sich Andreas Vogt von den Düsselhexen.

Der Düsseldorfer formulierte eine Eingabe an den Stadtrat und forderte eine Aufarbeitung sowie eine „sozial-ethische Rehabilitierung“ der Opfer. „In anderen Städten ist das auch geschehen, warum nicht in Wernigerode?“, so Vogt. Wasser ins Öl goss Hartmut Hegeler, ein ehemaliger Pfarrer aus Unna, mit seiner Ausstellung zur Hexenverfolgung im Zentrum Harzkultur.

In der Stadt reagierte man zögerlich auf Vogts Vorschlag. Das Thema wurde in den Kulturausschuss verwiesen, dort mehrfach diskutiert. Historiker wie Uwe Lagatz und Jörg Brückner gaben zu bedenken, dass die Verurteilten nicht alle unschuldig waren, dass sich unter ihnen auch Mörder befanden. Man könne die mutmaßlichen Opfer nicht pauschal rehabilitieren, ohne die Umstände zu kennen. Das Thema landete schließlich beim Heimat- und Geschichtsverein, der sich mit der möglichen Gestaltung einer Infotafel befassen sollte. „Das hat sich gezogen – aber ohne dass wir es aus den Augen verloren haben“, blickt Vereinschef Ludwig Hoffmann zurück.

Aufwind brachten vor zwei Jahren Schüler des Landschulheims Grovesmühle. Mit ihrer Arbeit „Die größte Sünde ist das Vergessen“ beteiligten sie sich erfolgreich am Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten. Die Jugendlichen sprachen sich für eine Gedenktafel aus und schlugen sogar einen Text dafür vor.

Bis zur Realisierung durch den Heimat- und Geschichtsverein gingen noch zwei Jahre ins Land. Die Tafel wurde vom Grafiker Wieland Wetzel gestaltet. Der Text basiert auf dem Vorschlag der Jugendlichen. „Wir sind froh, dass endlich etwas passiert ist“, sagt Andreas Vogt. Den Schülern seien er und seine Mitstreiter dankbar, „dass sie unsere Idee aufgegriffen und weiter entwickelt haben“.