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Kino „Film ab“ an der Staumauer

Die Talsperre Wendefurth wird zur Filmkulisse. Ein Team um Starregisseur Fatih Akin dreht zwei Tage lang am Stausee.

Von Katrin Schröder 22.09.2015, 01:01

Wendefurth l „Sind Sie sicher, dass hier keine Terroristen sind?“ Der ältere Herr schaut verschmitzt, die beiden jungen Männer müssen lachen. „Wenn Sie keiner sind, dann gibt es hier keine“, entgegnet der Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes. Freundlich, aber bestimmt erklärt er den Spaziergängern auf der Staumauer der Talsperre Wendefurth, dass sie wieder umkehren müssen. Eine Bombendrohung ist nicht der Grund dafür, sondern Dreharbeiten für eines der derzeit spannendsten deutschen Kinoprojekte. Regisseur Fatih Akin, der 2004 mit „Durch die Wand“ den Goldenen Bären bei der Berlinale gewann, verfilmt derzeit den Bestseller „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf. Zwei Tage lang ist das Filmteam vor Ort am Stausee.

Mehr als zwei Millionen mal hat sich der Roman „Tschick“ verkauft, als Theaterstück ist die Geschichte um Maik und Andrej, genannt Tschick, ein Dauerbrenner auf deutschen Bühnen. Die Handlung: Während die Mutter in der Entzugsklinik und der Vater mit seiner Assistentin auf „Geschäftsreise“ ist, verbringt der 14-jährige Außenseiter Maik Klingenberg die großen Ferien allein am Pool der elterlichen Villa. Doch dann kreuzt Tschick auf, der eigentlich Andrej Tschichatschow heißt. Er stammt aus dem tiefsten Russland, lebt in einem Hochhaus in Berlin-Marzahn und hat einen geklauten Lada dabei. Damit beginnt eine Reise ohne Karte und Kompass durch die sommerglühende ostdeutsche Provinz.

In Szene gesetzt wird die Geschichte des verstorbenen Buchautors von Fatih Akin. Der deutsch-türkische Starregisseur ist 2004 mit seinem Film „Gegen die Wand“ international bekannt geworden. Der Streifen erhielt zahlreiche Preise, unter anderem den Goldenen Bären. Zunächst hatte Regisseur David Wnendt, der mit seinen Filmen „Kriegerin“ und „Feuchtgebiete“ bekannt geworden ist, das Projekt begonnen, wurde aber ohne nähere Angabe von Gründen im Juli durch Fatih Akin ersetzt.

Die Schauspieler sind teils alte Hasen, teils noch unbekannt. Während der 13-jährige Tristan Göbel, der den Maik spielt, bereits in zahlreichen Filmen mitgewirkt hat, ist Anand Batbileg als Tschick neu im Filmgeschäft und eine Entdeckung von Regisseur Akin. Nicole Mercedes Müller – im Film stellt sie Isa dar, die den Jungen auf einer Müllhalde begegnet – hat mit 18 Jahren bereits in zahlreichen TV-Produktionen mitgewirkt. Bekannte Gesichter sind Uwe Bohm, der vielfach als „Tatort“-Bösewicht im Fernsehen zu sehen war, und Udo Samel, der neben vielen Filmaufträgen auch ein gefragter Theaterschauspieler ist.

Der Startschuss für die Dreharbeiten fiel am 2. September bei Leipzig. Im Anschluss ist die Filmcrew nach Volksstimme-Informationen weitergezogen nach Wendefurth, die ersten Mitarbeiter waren bereits am Sonnabend vor Ort. Einquartiert hat sich das Team in einem Hotel in Quedlinburg. Offiziell gibt es zu den Dreharbeiten im Harz keine Auskunft und keinen Zutritt. „Es handelt sich um einen geschlossenen Set“, sagt Anja Oster von der Presseagentur Just Publicity. Die Szenen, die an der Talsperre gedreht werden, vertrügen keine neugierigen Blicke der Öffentlichkeit. Auf die Frage nach dem Warum schwieg die Sprecherin.

Entspannt war die Lage am Montagvormittag rund um den Drehort. Hiphop-Musik dröhnt aus den Lautsprechern an dem Wagen, an dem Essen und Getränke ausgegeben werden. Während die Filmleute gegen 11 Uhr frühstückten, war Stauwart Nick Schmidt mit seinen Kollegen bereits seit 6 Uhr früh im Gebäude des Talsperrenbetriebs auf dem Posten. Seine Arbeit wurde von den Dreharbeiten kaum berührt. „Wir mussten geplante Rodungen verschieben, sonst wäre es zu laut gewesen.“ Ab 8 Uhr seien die Filmleute angerückt – unter den Augen von Schmidt, der von seinem Arbeitsplaztz aus den besten Blick auf den Drehort am Ende der Staumauer.

Dabei sollte zunächst unten am Bootssteg gedreht werden, doch wegen des Regens warf der Regisseur kurzerhand seine Pläne über den Haufen. Die fünf Einsatztaucher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG), die eigens für die Dreharbeiten aus Hettstedt und Leuna angereist waren, mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Die Truppe hat schon mehrmals bei Film- und Fernsehproduktionen für Sicherheit am Wasser gesorgt, so Taucher Mario Jethson.

Mittags starteten die Aufnahmen, eine kamerabestückte Drohne wurde bei Luftaufnahmen eingesetzt. Am Spätnachmittag wurden die Einstellungen am Wasser nachgeholt. „Wir mussten alle Boote beiseite räumen“, sagte Jürgen Klinger. Der Inhaber des Wendefurther Bootsverleihs hat seine Anlage für drei Tage an die Filmproduktion vermietet. „Schauplatz soll ein verlassener, in die Jahre gekommener Bootssteg sein“, so Klinger. Das Filmteam erlebte er als umgänglich und „gar nicht überheblich“. Auch man manchmal ein Schmunzeln unterdrücken müsse. „Aber das sind eben Künstler.“