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Nach Friederike Tödlich gefährliches Baum-Mikado im Harz

Knapp drei Wochen nach dem Orkantief Friederike geht von umgestürzten und verkeilten Bäumen rund um Schierke weiter eine große Gefahr aus.

Von Dennis Lotzmann 06.02.2018, 10:00

Schierke l Die Idylle ist trügerisch: Rund um Schierke haben sich die Wälder in den vergangenen Tagen wieder in eine märchenhafte Winterlandschaft verwandelt. Das lockt Spaziergänger, Rodler und Wintersportfreunde an. Zwar sind nach Angaben von Nationalpark-Revierförster Olaf Eggert knapp drei Wochen nach Orkan „Friederike“ rund um Schierke die allermeisten Wanderwege und Loipen beräumt und wieder frei zugänglich. Aber: „Es gibt darüber hinaus immer wieder Leute, die direkt in die Waldgebiete vorstoßen und dort wandern oder sich umschauen wollen“, berichtet der für den Bereich Schierke zuständige Revierförster. Eggert hat für derart Unbelehrbare nur ein Kopfschütteln übrig. „Wer das macht, ist schlicht lebensmüde.“

Abgesehen davon, dass das Verlassen der Wege im Nationalpark ohnehin unerwünscht sei, sollten auch alle übrigen Waldflächen außerhalb der freigegebenen Wege – egal, ob im Nationalpark oder in anderen Forstbereichen – gegenwärtig nur von Forstleuten betreten werden. Und auch denen raten Forstexperte Eggert und Christian Lüschow von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau zu maximaler Vorsicht. Der Unfall von 2015, der für einen 57 Jahre alten Waldarbeiter nach Aufräumarbeiten im Bereich Benneckenstein tödlich endete, sei gleichsam tragisches wie mahnendes Beispiel, so Lüschow.

Der 54 Jahre alte Präventionsbeauftragte der Berufsgenossenschaft rät angesichts der immensen Schäden vor allem Privatwaldbesitzer dringend davon ab, in Eigenregie und ohne die richtige Technik Aufräumarbeiten zu starten. „Um es klar zu sagen: Motormanuell, also allein mit Kettensäge, sollte jetzt niemand arbeiten. Eine Winde ist absolutes Mindestmaß, besser noch sollten schwere Technik wie Harvester-Erntemaschinen oder Bagger zum Einsatz kommen“, lautet sein Rat.

Technik, denen die aktuellen Witterungsbedingungen mit Schnee, Frost und oft aufgeweichten Böden freilich Grenzen setzen. Zudem sei die Verfügbarkeit derartiger Maschinen angesichts der massiven Schäden in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt aktuell begrenzt. „Daher sollte niemand in Hektik oder Aktionismus verfallen – Sicherheit muss absolute Priorität haben“, betont Lüschow.

Tödlich gefährlich werde der Windbruch – Forstleute sprechen vom Baum-Mikado – weil die tonnenschweren Bäume quer übereinander zu Fall gekommen sind. Dabei stehen die oft zwischen zwei und fünf Tonnen schweren Stämme fast immer unter Spannung oder sind zwischen anderen Bäumen eingeklemmt. Das soll auch dem erfahrenen Waldarbeiter zum Verhängnis geworden sein. Ein Stamm rutschte und begrub ihn unter sich. Deshalb hat der Direktor des Landesforstbetriebs Bernd Dost sofort reagiert und seine Mitarbeiter zum Arbeiten mit entsprechender Technik verpflichtet.

Gleichwohl bleiben die Aufräumarbeiten riskant. Ein Stamm, der plötzlich hochpeitscht. Ein Wurzelteller, der unerwartet kippt. Hinzu kommt, dass viele angekippte oder angebrochene Bäume mit ihren Kronen in anderen Bäumen festhängen. „Wenn nun die Kronen der Nadelbäume mit Schnee belastet werden, reicht mitunter der leiseste Windhauch, um sie endgültig kippen zu lassen“, warnen Lüschow und Eggert.

„Selbst Profis unterschätzen das – Sturmholz ist noch mal eine ganz besondere Herausforderung“, erinnert Lüschow. Eine, die leider oft von tragischen Momenten begleitet werde. „Nach dem schweren Sturm ,Lothar‘, der Weihnachten 1999 über Süddeutschland und die Schweiz hinweg gezogen ist, haben wir allein in Baden-Württemberg 27 Tote unter Waldbesitzern und Waldeigentümern zu beklagen gehabt“, erinnert der Fachmann. Und: Die Tatsache, dass Hobby-Brennholzsammler jetzt schon anklingeln, zeige wie fatal falsch die Situation eingeschätzt werde. Erst wenn die tonnenschweren Stämme weggeräumt seien, sei die Zeit für die Kronen gekommen.