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Neues Label Pilotkommune startet grüne Offensive

Wernigerode gehört zu fünf Politkommunen in Deutschland, die bei der Entwicklung eines neuen Labels die Vorreiterrolle einnehmen.

Von Regina Urbat 29.01.2017, 00:01

Wernigerode l Das Projekt „Stadtgrün – Artenreich und Vielfalt“ hat in Wernigerode an Fahrt aufgenommen. Für das gleichnamige Labelingverfahren ist eine sogenannte Lokale Arbeitsgruppe gebildet worden. Dieser wurde auf einer ersten Zusammenkunft das ehrgeizige Gesamtprojekt vorgestellt. Katrin Anders, Leiterin des Oberbürgermeister-Büros und an der Spitze des Projektteams, begrüßte rund 30 Teilnehmer aus verschiedenen Institutionen, Verbänden, Behörden und Gremien in der Ratswaage des Rathauses.

Schwerpunkte des Prozesses zur Entwicklung des Labels sind die Bestandsaufnahme der öffentlichen Grünflächen, die Erarbeitung einer Grünflächenstrategie mit einem Aufgabenplan und die Umsetzung eines Pilotprojektes. Bei Letzterem hat sich die Stadt Wernigerode für den Erhalt alter Mühlgräben in Hasserode entschieden, konkret für den Eichberggraben und den Bach Stilles Wasser (siehe Grafik unten rechts).

Vielerorts sind solche Gräben, die einst wirtschaftliche Lebensadern waren, zugeschüttet oder überbaut worden, sagte Ulrich Eichler. Als Umweltbeauftragter der Stadt leitet er das Mühlgraben-Projekt und hob in seinen Ausführungen hervor: „Es geht zum einen um den Erhalt der Funktionalität und zum anderen um die naturnahe Gestaltung der Mühlgräben.“

Während die Voraussetzungen für das Stille Wasser durch vorangegangene Ausbesserungen im und am Bach sowie Pflegearbeiten als gut eingeschätzt werden, gebe es beim Eichberggraben noch einiges zu tun. Beispielsweise führt der am Holtemme-Wehr hinter der ehemaligen Schokoladenfabrik Argenta abzweigende Mühlgraben viele Monate kein Wasser. Besonders im unteren Bereich an der einstigen Zichorienkaffee-Mühle, wo laut Eichler das Mühlrad noch vorhanden sei, ist der Bachlauf meist trocken. „Das müssen wir ändern, zumal dieser Graben zu den Laichgebieten des Feuersalamanders gehört“, so der Umweltbeauftragte.

In der Bestandsaufnahme der Bachläufe, mit der das Büro für Umweltplanung von Dr. Friedhelm Michael in Wernigerode beauftragt wurde, stellte die Mitarbeiterin Katja Osterloh die vorhandene Fauna und Flora als durchaus sehr vielfältig heraus. Diese zu erhalten, so Ulrich Eichler später, sei kein Selbstläufer. Deshalb gehöre zum Projekt auch die Aufklärung und Sensibilisierung der Bürger. Zwar sei es längst Geschichte, dass Abwässer von Kleinkläranlagen in die Bäche gelangen, doch werden immer wieder Sünder ertappt, die sich mit Pumpen am Bachwasser bedienen. „Nur Schöpfen ist erlaubt“, betonte Eichler.

Noch umfangreicher als für das Mühlgraben-Pilotprojekt ist die Arbeit bis zur Abgabe der Unterlagen für die Labelvergabe bis spätestens Ende November. Zunächst ist vom Büro für Umweltplanung, das seinen Sitz in der Sylvestristraße hat, eine Bestandserfassung aller Grünflächen in der Stadt Wernigerode erfolgt. „Wir haben versucht, eine Grundstruktur in die riesige Flächenkulisse hinzubekommen“, sagte Wilhelm Michael. Für das festgelegte Projektgebiet seien anhand von Luftbildaufnahmen und Katasterauszügen die Grün- und Pflegeflächen ermittelt worden, die in städtischer Hand sind (siehe Grafik oben).

Ausgeschlossen wurden Waldflächen, wobei Waldwiesen wiederum berücksichtigt sind, sagte Katja Osterloh. Fazit ihrer Ausführung: Etwa 130 Hektar Grün sind in öffentlicher Hand, ein großes Potenzial würden die nichtöffentlichen Grünflächen bilden. In der ersten Phase der „grünen Offensive für Wernigerode“, wie ein Teilnehmer anerkennend die Beteiligung an der bundesweiten Label-Entwicklung bezeichnete, geht es um das öffentliche Stadtgrün. „Ohne aber Initiativen anderer auszuschließen“, sagte Katrin Anders und betonte, dass ein wichtiger Baustein im Verfahren die Einbeziehung von Bürgern und privaten Grundstückseigentümern sei.

Frank Schmidt, der als Chef des Gartenamtes täglich mit dem „Stadtgrün“ zu tun hat, freute sich über die digitale Erfassung durch das Planungsbüro, zumal in dem Grünflächenkataster auch der Artenreichtum Berücksichtigung finde. „Das haben wir in diesem Umfang bislang nicht leisten können.“ Und: „So wissen wir nun, wo unsere Raritäten sind.“

In einem weiteren Schritt soll festgelegt werden, wie und wann welche Grünfläche gemäht, gedüngt und anderweitig bearbeitet wird. Das Konzept, so Frank Schmidt, werde durchaus enthalten, „dass wir Wiesen nur einmal im Jahr mähen, um der Tier- und Pflanzenwelt Raum zur Entfaltung zu geben“. Dass es in dieser Hinsicht Probleme geben könnte, wisse der Amtsleiter aus Beschwerdeanrufen in der Vergangenheit. „Meterhohes Gras muss nicht gleich Faulheit bedeuten. Nur müssen wir die Bürger informieren, wenn es sich um die gewünschte naturnahe Gestaltung einer Grünfläche handelt.“ Diese würden sich beispielsweise unter Streuobstwiesen und in Flussauen anbieten, und nicht gleich überall in der Stadt.

„Und auch nicht auf dem Bahnhofsvorplatz“, warf Christian Linde, Chef der Wernigeröder Wohnungsgenossenschaft, ein. Das Arbeitsgruppenmitglied begrüßte die Projektteilnahme von Wernigerode, empfehle aber, mit Vorsicht naturnahe Wiesen in Wohngebieten vorhalten zu wollen. Diese Anregung und andere Hinweise fließen nun in die Erarbeitung der Grünflächenstrategie ein. Wernigerode gehört neben Frankfurt am Main, Hannover, Neu-Ans-pach und Kirchhain zu den Pilotkommunen, die das Labeling-Verfahren exemplarisch erproben und bei der Kampagne mitwirken. 62 000 Euro Fördergeld vom Bund steht Wernigerode für das Stadtgrün-Projekt zur Verfügung.