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Ruhestand Grünberg: "Bücher wird es immer geben"

Klaus Grünberg, langjähriger Leiter der Wernigeröder Stadtbibliothek, geht Anfang Oktober in den Ruhestand.

Von Katrin Schröder 17.08.2016, 01:01

Wernigerode l Viele Dinge tut Klaus Grünberg derzeit zum letzten Mal. Bücher aus einem Nachlass durchsehen, Pläne für 2017 schreiben – wohlwissend, dass er sie nicht mehr umsetzen wird. Der 65-Jährige, der seit 1988 die Wernigeröder Stadtbibliothek geleitet hat, geht auf den Ruhestand zu – etappenweise. Am heutigen Mittwoch verabschieden sich die Mitarbeiter von ihrem Chef. Am 31. August ist Grünbergs letzter Arbeitstag, bevor offiziell am 1. Oktober Schluss ist.

Gelesen hat der gebürtige Hallenser schon immer – Fontane zählt zu seinen Lieblingsautoren, ebenso Georges Simenon und Goethe. Doch sein Berufsweg führte ihn zunächst in die Produktion. „Ich war Schlosser, aber nicht glücklich“, erinnert sich Grünberg. Karriere hätte er in seinem Betrieb nur mit Parteibuch machen können, doch das kam nicht in Frage.

In Leipzig absolvierte Klaus Grünberg ein Studium zum Diplom-Bibliothekar, arbeitete in der Bücherei in Halle-Neustadt. „Dann hat mich Amors Pfeil getroffen“, erinnert er sich. Durch Zufall lernte er in einer Silvesternacht seine Frau Helga kennen, mit der er 1982 nach Wienrode zog. Grünberg arbeitete in der Gewerkschaftsbibliothek des Thalenser Eisenhüttenwerks, erhielt das Angebot, nach Blankenburg zu wechseln. Dann kam ein Anruf aus Wernigerode – ob er die Leitung der Kreis- und Stadtbibliothek übernehmen wolle.

1988 trat Klaus Grünberg den Dienst an. Die Umstände waren nicht rosig. „Die Bibliothek war damals am Boden“, erinnert er sich. Die Bestände waren teils im Rathaus untergebracht. Weil eine Decke eingestürzt war, wurden Bücher in die Müntzer-Schule ausgelagert, die ebenfalls in schlechtem Zustand war. Nach der Wende kam ein neues Problem hinzu. „Der Bestand war nicht mehr gefragt“, so Grünberg. Die Leser verlangten Literatur aus dem Westen, der Nachholbedarf war groß. „Und wir saßen da mit unseren Büchern. Es war die totale Ablehnung.“

Das Ziel war, den Bestand schnell aufzufrischen. „Wir hatten Geld und konnten einkaufen“, sagt der Bibliothekschef. 1991 zog die Einrichtung ins Gebäude am Klint, wurde mit der Harzbücherei vereint. 1994 wurde die Kinderbibliothek im Oberpfarrkirchhof angesiedelt. Schrittweise wurden in den 1990er-Jahren Ausstattung und Haus modernisiert, im Februar 2001 war große Neueröffnung. Das Bekenntnis der Stadt zur Bibliothek war wichtig, sagt Grünberg. Rund 1,5 Millionen Mark hat Wernigerode bis 2001 investiert, rund 750 000 Mark gab das Land.

Im gleichen Jahr wurden die ersten Internetarbeitsplätze eingerichtet. Mit den digitalen Medien kam ein Umbruch, der andauert. „Es ist eine Kulturrevolution“, urteilt Grünberg. Auch in Wernigerode spürt man den Wandel: Jugendliche nutzen seltener Bücher, viele informieren sich im Internet. „Der Bedarf an Information, Bildung und Unterhaltung bleibt jedoch bestehen. Und es wird immer Bücher geben.“

Seit 2010 können die Leser den Online-Katalog der Bibliotheken in Wernigerode, Ilsenburg, Halberstadt und Quedlinburg nutzen. Ende 2011 kam die Onleihe hinzu, die Ausleihe von digitalen Medien per Internet. Zulauf hat die Stadtbibliothek nach wie vor. Knapp 4000 Leser waren 2015 registriert, rund 45 000 Besucher kamen ins Haus. Den Gästen sollte man künftig mehr bieten – mit Lehrgängen, Veranstaltungen, öffentlichen Arbeitsplätzen. „Bibliotheken werden Bügerhäuser“, hat Grünberg beobachtet, der sechs Jahre im Vorstand von Sachsen-Anhalts Bibliotheksverband saß.

Für den Ruhestand hat der scheidende Chef keine konkreten Pläne. „Ich will durchatmen“, sagt der 65-Jährige. Mehr Zeit für Familie, Haus und Garten, für Streifzüge durch den Harz auf den Spuren Heines: Darauf freut er sich. „Was die Zeit außerdem bringt, werde ich sehen. Alles fließt.“