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Sanierung Himmelreich mit Paukenschlag

Stefan Heymann hat in der Feldstraße in Wernigerode ein Domizil für Musikbegeisterte geschaffen.

Von Julia Bruns 16.05.2017, 15:45

Wernigerode l Schwarze Wände und Decken, Scheinwerferlicht und Bühnentraversen – wir sind nicht etwa backstage bei einem Rockkonzert, sondern in einer kreativen Insel in Wernigerode. In der Feldstraße hat sich Stefan Heymann sein persönliches Himmelreich aus einem alten E-Werk erschaffen.

„Turbine 19“ vereint all das, was sich der diplomierte Schlagzeuger schon lange unter einem Dach gewünscht hat: Gut sortierte Instrumentenhandlung mit Bühnenbedarf, Konzertsaal, Proben- und Unterrichtsräume und sogar einen verspiegelten Ballettsaal. „Turbine steht für Energie und Antrieb“, erläutert er. Die 19 sei ganz banal – eben der Hausnummer 19 geschuldet. Die Immoblie mit Vorder-, Seiten- und Nebenhaus hat er vor drei Jahren den Stadtwerken abgekauft. Zuvor hatte der Aufsichtsrat einem Konzept zugestimmt, das er eigens für das Haus entwickelt hatte.

In der Feldstraße lässt sich derweil nur schwer erahnen, das hinter der schmucklosen Gebäudehülle ein ambitioniertes Kreativzentrum steckt. Schon in wenigen Tagen wird der Jazzclub ein Konzert in der Turbine veranstalten. Die Feuertaufe steht also kurz bevor.

Das Team von Planungsring rund um Chef Mario Kowalsky zeichnet sich für die Gestaltung veantwortlich. Wobei Heymann keinen Zweifel daran aufkommen lässt, dass viele Ideen von ihm stammen. „Ich wollte die Räume thematisch auf ihre künftige Nutzung abstimmen, ohne dem Gebäude seinen Charakter zu nehmen.“

Und der ist industriell geprägt, befand sich doch seit den 1920er Jahren ein Umspannwerk an dieser Stelle. Markant erschien dessen Silhouette durch ein Gasometer, das allerdings in den 1990ern abgerissen wurde. Die Verwandlung des einstigen Stadtwerke-Verwaltungsgebäudes in ein modernes Musikhaus mit Loftambiente ist Heymann und dem Team von Planungsring geglückt. Dass Decken und Wände schwarz sind, wirkt an keiner Stelle erdrückend.

„Es war an der Zeit, etwas Eigenes aus dem Boden zu stampfen.“

Viel intensiver kommen so Farbakzente zur Geltung, wie die verschnörkelte Tapete in der Abteilung für Tasteninstrumente, ein Kronleuchter und die roten Orientteppiche in der Gitarrenhandlung.

Im Konzertsaal hat Heymann alte Putzlagen an der Wand teilweise erhalten. Schmuckstück ist der verspiegelte, lichtdurchflutete Ballettsaal, in dem Kinder und Erwachsene mit der russischstämmigen Lehrerin Anna Kraus in den ästethischen Tanz eintauchen.

Seit dem 1. März ist Heymann nun schon sein eigener Herr in der Turbine 19. „Es war an der Zeit, etwas Eigenes aus dem Boden zu stampfen“, sagt der Wernigeröder. 15 Jahre lang führte er die Musikscheune in der Grünen Straße. „Ich war nur Mieter und habe schon lange mit dem Gedanken gespielt, mich räumlich zu verändern.“

Ein Grund für die Luftveränderung war unter anderem die angespannte Parksituation im Zentrum. In der Feldstraße ist das Musikhaus weder ab vom Schuss, noch mitten in der sensiblen Altstadt. „Und vom Konzertsaal kann man direkt in die Kreismusikschule blicken“, sagt er und lacht. Ob dort die Konkurrenz arbeite? „Nein, wir sehen uns nicht als Konkurrenz. Wir ergänzen uns thematisch. Schüler kommen vom einen zum anderen und umgekehrt.“

Zudem werde nicht alles bei ihm unterrichtet. „Alles, was trommelt, kann man bei mir lernen. Außerdem Gitarre, und demnächst auch Gesang und Klavier“, verrät er. Blas- und Streichinstrumente werde man vergeblich suchen. „Wir sind auch in der Instrumentenhandlung kein Vollsortimentler.“ Kunden schätzen seine Expertise besonders, wenn es um Gitarren, Trommeln und Schlagzeuge geht.

Viele kennen Stefan Heymann als den Kopf hinter der beliebten Trommel-Gruppe Baraban. Er selbst wollte ursprünglich übrigens gar nicht Schlagzeug lernen, lieber Klavier oder Trompete, erinnert er sich. „Meine Lehrerin meinte damals aber: Mit Deinem Temperament spielst Du Schlagzeug.“ Bereut hat er es nicht. „Erst wollte ich nicht so recht, aber dann fand ich es doch ganz cool.“

Jazzsängerin Stephanie Neigel tritt im Rahmen der Jazzclub-Reihe mit ihrer Band am Sonnabend, 27. Mai, in der Turbine 19 auf. Beginn ist um 20 Uhr. Karten gibt‘s bei Jüttners und an der Abendkasse.