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Selbstständigkeit Hobby und Traumberuf vereint

Caterina Fischer aus Benzingerode ist begeisterte Reiterin. Als Ergotherapeutin gibt sie diese Leidenschaft an ihre Patienten weiter.

Von Sandra Reulecke 24.11.2016, 10:11

Wernigerode/Benzingerode l Vorsichtig schnuppert Bailey an der Hand. Das Fell des Pferdes kitzelt den Jungen. Er lacht. Für seine Mutter und Caterina Fischer ist dieser Reaktion ein Erfolg. Denn sonst fällt es dem Kind nicht leicht, seine Emotionen zu zeigen. Der Junge ist schwerstmehrfachbehindert. Heilung gibt es für ihn nicht, sagt Caterina Fischer. „Es geht um Entspannung, die Steigerung der Lebensqualität“, erläutert die Ergotherapeutin.

Im Juni dieses Jahres wagte die 28-Jährige den Schritt in die Selbständigkeit. Sie hat eine Praxis in Wernigerode eröffnet und bietet zusätzlich Reitherapien in Benzingerode an.

Seit ihrer Schulzeit verfolgt die Benzingeröderin diesen Traum. „Ich wollte schon immer mit Kindern und Tieren zusammenarbeiten“, berichtet sie. So ist sie begeisterte Reiterin und Hundebesitzerin.

Um ihren Traum zu verwirklichen, ging sie einen steinigen Weg. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Ausbildungsberufen, gibt es für die Lehre zur Ergotherapeutin kein Geld. Im Gegenteil: Sie muss bezahlt werden, ebenso die Ausbildung zur Reittherapeutin. Also war Caterina Fischer von ihren Eltern abhängig. „Manchmal hatte ich meiner Familie gegenüber ein schlechtes Gewissen wegen des Geldes“, sagt Caterina Fischer. „Aber meine Eltern haben mich immer unterstützt – besonders darin, mich selbständig zu machen.“

Ihre Ausbildung absolvierte sie zunächst in Hannover, die Zusatzqualifikation schloss sie in der Nähe von Oldenburg ab. Berufserfahrung sammelte die junge Frau in einer Praxis in Halberstadt und in einem Wohn- und Therapiezentrum für Menschen mit Autismus in Langenstein.

Berührungsängste vor den Patienten habe sie nie gehabt – obwohl einige der Kinder aufgrund ihrer Krankheit weder ihre Agressionen noch ihre Körperfunktionen unter Kontrolle halten können. „Das gehört zum Job. Anfangs war es eine Überwindung, aber man gewöhnt sich schnell daran“, sagt sie und ergänzt lachend: „Privat habe ich eine andere Schmerzgrenze.“

Die Arbeit im Heim sei spannend gewesen, aber nicht das, was sie sich für den Rest ihres Lebens vorstellen könne. „Ich möchte flexiblere Möglichkeiten haben, um meinen Patienten das bieten, was für sie am besten ist.“ Die Therapie mit Pferden sei so etwas.

„Tiere haben einen ganz anderen Zugang zu Menschen. Durch sie kann man Brücken zu Patienten bauen, an die man sonst nicht herankommt“, erläutert die Ergotherapeutin. Dank der Tiere fassen die Patienten Vertrauen. Caterina Fischer nutzt die Therapieform unter anderem für Menschen mit Mehrfachbehinderungen und Autismus. Ebenso sei sie für Menschen mit Rückenbeschwerden sinnvoll, weil die passive Bewegung beim Reiten entspannt und die menschliche Muskulatur unterstützt. Im Gegensatz zu anderen Ergotherapie-Leistungen, die vom Arzt verordnet werden, trägt die Krankenkasse die Kosten für die Reittherapie nicht. Die Wirksamkeit ist bislang nicht klinisch belegt.

Finanziell ist das Angebot also ein Risiko für sie: Sie muss nicht nur die zwei Pferde und das Pony versorgen, sondern auch einen Reitplatz samt Stall vorweisen. Warum nimmt sie das zusätzlich zur Praxis auf sich? „Weil ich absolut dahinter stehe und daran glaube, dass es wirkt.“ Sie freue sich über die Erfolge, wenn die Patienten mit einem Lächeln nach Hause gehen. Dann hat die 28-Jährige noch längst nicht Feierabend: Die Tiere müssen geputzt, geritten und gefüttert werden.

Ausgleich ist für die Benzingeröderin ihr Hobby: Sie ist Mitglied im Carneval Club. Dort tanzt sie mit und leitet die Kindergruppe. 27 Mädchen und Jungen sind es derzeit. „Das macht mir einfach Spaß – auch wenn ich meistens nicht weiß, wo ich die Zeit dafür hernehmen soll“, gesteht Caterina Fischer. Aber auch hier seien die lächelnden Kinder ihre Motivation.