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SzenetreffExperiment Palmenhaus: Gelungen

Es war ein Experiment, das geglückt ist. Martin Mund zieht eine positive Bilanz für sein Container-Café im Wernigeröder Lustgarten

Von Sandra Reulecke 21.10.2016, 01:01

Wernigerode l Es ist Ruhe eingekehrt im Café am Palmenhaus in Wernigerode. Dort, wo noch vor wenigen Wochen die Kaffeetassen standen, rieselt nun buntes Laub auf die Holztische herab. „Es lief richtig gut. Ich habe eigentlich nur positive Resonanz erhalten“, sagt Martin Mund. Der Erfolg habe ihn ehrlich überrascht, so der 30-Jährige. Er zieht Bilanz seiner ersten Café-Saison im Lustgarten.

Nur zwei Monate dauerte sie – von Anfang August bis Oktober. Die Zeit war lehrreich. „Ich konnte vorher überhaupt nicht einschätzen, wie es angenommen wird“, sagt der gelernte Tischler, der den Schritt in die Gastronomie gewagt hat.

Wie kam es zu dem beruflichen Wechsel? „Ich fand, dass etwas in Wernigerode fehlt, wo man in Ruhe sitzen kann. Ein Treff für Freunde, mit guten Produkten, der nicht mitten auf dem Marktplatz ist.“ Der Lustgarten sei für ihn der ideale Standort, um ein Café nach seinen Vorstellungen zu betreiben – schließlich ist die Grünanlage ein beliebtes Ausflugsziel. Und ihn habe das alte Palmenhaus gereizt – mit seinem leicht morbiden Charme.

Das Jahrhunderte alte Gebäude steht seit Jahrzehnten leer. Graffiti zieren die Innenwände. Immer wieder wurde in Wernigerode die Frage laut, warum mit dem Haus nicht endlich etwas passiert.

Privater Eigentümer ist die Palmenhaus Wernigerode GmbH. „Wir haben das Haus vor rund zehn Jahren erworben“, informiert Joachim Harsing. Schon damals sei der Grundgedanke der Käufer gewesen, einen Gastronomie-Betriebs zu errichten. „Aber Experten haben uns davon abgeraten.“ Nicht zuletzt, weil es direkt an dem Gebäude kaum Parkmöglichkeiten gibt. Im Laufe der Jahre habe es verschiedene Konzepte gegeben, zum Beispiel ein Call-Center. Unter anderem aus denkmalpflegerischeren Gründen wurde nichts davon umgesetzt.

Einen letzten Trumpf haben die Besitzer noch im Ärmel: Eigentumswohnungen. „Das ist das einzige, was aus wirtschaftlicher Sicht Sinn macht“, sagt Joachim Harsing. Er betont aber, dass es sich bei diesem Konzept um „Plan B“ handelt. „Wir unterstützen die Geschäftsidee von Herrn Mund. Wenn er sein Konzept für wirtschaftlich tragbar hält, kann er das Palmenhaus gern von uns kaufen.“

Mit diesem Gedanken spielt auch der Pächter – allerdings möchte er dafür mehr Erfahrungswerte sammeln. Zunächst gönnt er sich eine Pause. Erst im Frühjahr 2017 schenkt er wieder Kaffee aus. Bis dahin schmiedet er Pläne, baut seine Wohnung aus und macht Urlaub.

Erholung hat Martin Mund nötig: Dem schönen Spätsommerwetter sei dank, hat er bis in die Nacht Gäste bewirtet. Nicht selten hieß es für diese Anstehen. „Im kommenden Jahr werde ich sicher eine Aushilfe einstellen.“ In der vergangenen Saison sprangen zu Stoßzeiten Freunde und Familienmitglieder ein, um ihn zu unterstützen. „Mit den Erfahrungen, die ich gesammelt habe, möchte ich die Abläufe optimieren.“

Die Grundidee aber bleibt auch in der nächsten Saison: In gemütlicher Atmosphäre werden hochwertige Produkte angeboten. „Es gab einige Gäste, die sich über die hohen Preise gewundert haben“, berichtet Mund. „Aber für die Produkte sind die Preise angemessen. Die Billigschiene funktioniert nur eine gewisse Zeit, Qualität setzt sich letztlich durch.“ Er lege Wert darauf, mit regionalen Anbietern zusammenzuarbeiten und Fair-Trade-Produkte zu nutzen.

Sein Konzept kommt bei den Wernigerödern offensichtlich an. Bei gutem Wetter blieb keines der selbstgezimmerte Sitzmöbel und keine Hängematte frei. Verkauft wird aus Containern heraus, die er am Hamburger Hafen erworben und nach seinen Vorstellungen umgebaut hat.

Darin befinden sich ein Kiosk und die Toiletten. „Die meisten Leute haben erwartet, dass es sich um Dixi-Klos handelt und sind überrascht, dass es geflieste Räume sind, in denen hochwertige Materialien verwendet wurden“, berichtet der zugezogene Wernigeröder. „Aber sie wissen es wohl zu schätzen, denn es wurde alles sauber hinterlassen – auch an Tagen, an denen es sehr voll war.“ Sein Publikum war sehr gemischt: Familien mit Kindern, Teenager und Ältere – auffällig viele Wernigeröder, weniger Touristen.

Der Erfolg der „Probezeit“ macht dem Existenzgründer Mut. Der gebürtige Braunschweiger hat neue Ideen – die er noch für sich behält. „Ich möchte für nichts werben, was ich dann doch nicht umsetzen kann.“ Dem Gerücht, dass das Café in der Adventszeit öffnet, entgegnet er. „Die Idee ist gut, aber nicht umzusetzen. Die Wasserleitungen verlaufen überirdisch und würden zufrieren“, erläutert Martin Mund.