Waldtierplage Kein Schwein zu sehen

Mit Bagger und Mulcher wird der Wildschweinrotte im Wernigeröder Nesseltal zu Leibe gerückt. Die Aktion bringt einen Teilerfolg.

Von Ivonne Sielaff 06.06.2017, 17:50

Wernigerode l Der Schreitbagger bahnt sich seinen Weg durch die Wildnis. Der 13-Tonner hebt seinen Arm, setzt den Mulcher auf einen Baum. Die Maschine dröhnt und senkt sich auf das Astwerk. Das Holz biegt sich, kracht, bricht. Späne fliegen durch die Luft. Eine halbe Minute später ist von dem Baum nur noch der Stumpf übrig.

Die Wernigeröder Stadtverwaltung hat am Dienstagmorgen zur Wildschweinjagd in der Gartenanlage im Nesseltal geblasen – zur zweiten innerhalb von 14 Tagen. Mit schwerem Gerät werden mehrere verwilderte Gärten platt gemacht – um die Waldtiere zu verjagen und um ihre Verstecke zu zerstören.

Seit fünf Wochen tyrannisiert eine Wildschweinrotte Anwohner und Gartenpächter im Nesseltal. Mehrere Muttertiere mit Nachwuchs haben sich in der Anlage eingenistet, stöbern Nacht für Nacht durch die Gärten – auf der Suche nach Nahrung. Durchbrochene Zäune und immer mehr zerwühlte Beete sind die Folge. Die Kleingärtner sind verzweifelt, fürchten nicht nur um ihre Blumen und Gemüsepflanzen, sondern auch um ihre Sicherheit.

Die meisten Gärten im Nesseltal sind städtische Grundstücke. Deshalb sehen die Pächter die Stadt in der Pflicht. Der Unterschlupf der Rotte wird allerdings auf einem verwilderten Privatgelände vermutet. „Wir haben uns als Stadtverwaltung der Sache angenommen“, sagt Kerstin Brüning, die den Einsatz leitet. „Wir haben uns vor den Karren gespannt, auch um unsere Pächter zu unterstützen“, so die Rathausmitarbeiterin.

Über mehrere Tage wurde der Großeinsatz vorbereitet. Schreitbagger und ein Forstmulcher sind extra aus Suhl angefordert worden. Seit 6.45 Uhr morgens sind Mitarbeiter der Stadtverwaltung und des Bauhofs, der Polizei und des DRK im Einsatz, um die Arbeiten abzusichern. Arbeiter einer Wernigeröder Gartenbaufirma kämpfen sich mit Motorsägen durch das Gestrüpp. Im angrenzenden Wald lauern Jäger mit Gewehren im Anschlag auf die wilden Schweine.

Anwohner, Kleingärtner und Passanten beäugen die Aktion indes kritisch. „Ich bin froh, dass endlich etwas passiert“, sagt Hans-Joachim Schulze. Seit Wochen habe er nicht richtig geschlafen, verrät er im Volksstimme-Gespräch. „Ich halte nachts Wache, damit die Wildschweine meinen Garten nicht verwüsten.“ Fast täglich werde er von den Tieren heimgesucht. „Erst neulich habe ich eine Bache mit sieben Frischlingen auf unserer Terrasse gesehen.“ Mit einer Hupe und alten Silvesterknallern habe er die Tiere von seinem Grundstück verjagt. „Keine Ahnung, was das bringt“, zeigt sich ein anderer Anwohner skeptisch. „Auch wenn sie die Wildschweine heute verjagen, die kommen wieder. Die wissen doch, wo sie was zu futtern finden.“

Tatsächlich hat sich am Dienstag kein Wildschwein blicken lassen. „Wir haben die Arbeiten beendet“, sagt Tobias Kascha am Nachmittag. „Natürlich ist das keine Garantie dafür, dass die Tiere nicht wiederkehren“, so der Chef des Oberbürgermeister-Büros. „Wir sind ein Stück vorangekommen, haben ihnen ihre Unterschlupfmöglichkeiten genommen.“ In den nächsten Tagen werde sich zeigen, welchen Effekt der Aufwand hatte.