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Weihnachtsmarkt Tagesgeschäft statt Barrikaden

Braucht Wernigerode mehr Sicherheitsvorkehrungen auf dem Weihnachtsmarkt? Die Volksstimme hat bei Händlern und im Rathaus nachgefragt.

Von Holger Manigk 22.12.2016, 00:01

Wernigerode l Leuchtende Herrnhuter Sterne, Glühweinduft, Menschenmassen zwischen den Fachwerkhäusern – der Weihnachtsmarkt in Wernigerode bleibt ein Anziehungspunkt für Touristen und Einheimische. Nach dem Anschlag, bei dem zwölf Menschen auf dem Berliner Breitscheidplatz starben, ist in Wernigerode Verunsicherung spürbar. In den letzten Adventstagen geht es auf dem Weihnachtsmarkt aber weiter wie gewohnt. „Wir dürfen uns keine Angst machen lassen“, sagt der parteilose Oberbürgermeister Peter Gaffert.

Die Stadtverwaltung habe am Morgen nach dem tragischen Ereignis über das Risiko für den Wernigeröder Markt beraten, informiert er auf Volksstimme-Nachfrage. „Wir als beschauliche Kleinstadt sind nicht so gefährdet wie Großstädte“, so Gafferts Einschätzung. „Niemand kann aber hundertprozentige Sicherheit garantierten“, schränkt der Oberbürgermeister ein.

Ordnungsamtschef Gerald Fröhlich sieht indes keinen Anlass, die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Markt rund ums Rathaus in der Altstadt zu verstärken. Da der Weihnachtsmarkt komplett in der mit Pollern vom Autoverkehr abgetrennten Innenstadt stattfindet, sei ein Anschlag wie in Berlin in Wernigerode nicht möglich.

Dennoch wurde die Polizeipräsenz erhöht. Wie schon zuvor sichert eine Nachtwache die Pyramide und die Stände der Händler. „Wenn die zuständigen Behörden wie Verfassungsschutz und Staatsschutz uns über eine Bedrohung informieren, können wir aber jederzeit reagieren“, sagt Fröhlich.

Unter den Händlern auf dem Weihnachtsmarkt herrscht jedoch vorwiegend Unsicherheit, wie eine Umfrage der Volksstimme zeigt. „Es war schon eigenartig, wieder zum Alltag überzugehen“, sagt Andrea Siewiera. Die 50-Jährige aus Quedlinburg verkauft auf dem Weihnachtsmarkt Grünkohl. Sie fühle vor allem mit den Angehörigen der Opfer des Anschlags von Berlin. „Wir wollen den Terroristen nicht nachgeben, deshalb bleiben wir beim Tagesgeschäft“, pflichtet ihr Glühweinverkäuferin Patty Viel bei.

„Obwohl Berlin weit weg ist, habe ich ein mulmiges Gefühl in meinem Verkaufsstand“, sagt Alexandra Hartmann. Die 46-Jährige bietet auf dem Marktplatz Backwaren an. „Wernigerode ist ein recht bekannter Weihnachtsmarkt, es kommen viele Touristen hierher.“ Kunsthandwerkshändlerin Cornelia Wolff beruhigt sich dagegen damit, dass „Wernigerode eine Kleinstadt ist und solche Sachen hier nicht passieren“.

Einige Händler sind misstrauischer geworden und beobachten ihre Kunden nun genauer – so wie die Weihnachtsbaumschmuck-Verkäuferin Carmen Liste. „Ich bin froh, dass der Markt bald schließt und ich nach Hause zu meiner Familie kann“, sagt die 57-Jährige aus Egeln. Sie habe Angst, dass sich der Terror nun auch in Deutschland ausbreite und fordert mehr Kontrollen.

„Vor fünf Jahren haben wir uns noch nicht mit der Gefahr durch Terroristen befassen müssen“, sagt Peter Gaffert. Für ihn komme die Bedrohung aber „gefühlt immer näher“.

Schon im Vorjahr sei die Sicherheitsfrage in den Fokus der Wernigeröder Weihnachtsmarkt-Organisatoren gerückt, erinnert Gaffert. Damals hatten Terroristen kurz vor Eröffnung des Marktes bei Anschlägen in Paris 130 Menschen getötet. Zwar trägt das Rathaus Trauerflor für die Opfer des Berliner Anschlags, doch Oberbürgermeister Peter Gaffert wünscht den Wernigerödern trotzdem ein friedliches Weihnachtsfest.