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Werbeaktion Mit flotten Sprüchen Azubis locken

Ein Bus soll als rollender Botschafter in Wernigerode für mehr Lehrlinge in Handwerksberufen werben.

Von Frank Drechsler 11.04.2017, 23:01

Wernigerode l Die Lage ist angespannt. Die Zahlen besorgniserregend. Seit Jahren beklagen Handwerksbetriebe einen steten Rückgang an Ausbildungswilligen, obwohl in den 2620 Handwerksbetrieben im Harzkreis zurzeit 930 Lehrlinge ausgebildet werden.

„Das hört sich viel an, ist es aber nicht“, sagt Burghard Gruppe. Der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Magdeburg fügt hinzu: „Das ist ein Drittel weniger als noch vor zehn Jahren. Wir brauchen einfach mehr junge Leute, die im Handwerk ihre persönliche berufliche Zukunft sehen. Ihnen wollen wir Wege aufzeigen, dass das Handwerk ein toller Wirtschaftszweig ist.“

Und, ergänzt Andreas Heine als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Wernigerode, „dass man hier durchaus genauso Karriere machen kann wie nach einem Studium“. Im Handwerk könne ein Lehrling zum Meister und dann zum Betriebsinhaber aufsteigen. „Wenn das nichts ist“, sind sich Grupe und Heine einig.

Beide haben mit Vertretern von Handwerksbetrieben im Harzkreis nun ein neues Werbeprojekt gestartet, ein rollendes. Partner ist das Blankenburger Busunternehmen Schwarzenberg. Auf dessen Regionalbus steht in großen Lettern zu lesen: Such dir eine Lehrstelle. Bevor es deine Eltern tun. Auch heißt es: Erstes Gehalt mit 29? Ich hab was Besseres vor. Mit diesen und anderen flotten Sprüchen sollen jugendliche Azubis gelockt werden.

„Bis vor einigen Jahren hat sich der Lehrling beim Betrieb beworben, heute muss der Betrieb deutlich um den Lehrling werben“, sagt Andreas Heine und gibt sich zuversichtlich: „Da viele Schüler den Personennahverkehr nutzen, sind Busse ein sehr effektiver Werbeträger.“ Drei Jahre seien die Werbeflächen gebucht.

Beteiligt haben sich an der Werbeaktion Handwerksbetriebe aus Wernigerode, Langenstein, Benneckenstein, Trautenstein, Darlingerode und die Kreishandwerkerschaft Wernigerode. Die zum Start des rollenden Werbebotschafter Anwesenden sprachen die Hoffnung aus, nun doch noch den einen oder anderen Lehrling gewinnen zu können. Wissen aber, dass es nicht einfach sei.

„Es wäre schön, wenn es gelingt“, sagt Konditormeisterin Janet Riemenschneider. Sie hat 2010 das Bäckerei-Geschäft ihrer Eltern Doris und Rainer Riemenschneider in Darlingerode übernommen. Insgesamt 28 Mitarbeiter arbeiten dort sowie in Filialen in Ilsenburg und Silstedt. „Wir suchen schon seit Jahren händeringend einen Lehrling.“

Anderen in der Branche geht es nicht besser. Ulrich Werner, Inhaber der gleichnamigen Bäckerei, setzt voll und ganz auf die Aktion. „Wir bestehen nun seit 130 Jahren. Haben heute neben dem Café und der Bäckerei in Benneckenstein noch Filialen in Zorge und Hohegeiß. Nicht auszudenken, wenn wir keinen Nachwuchs für unser Handwerk finden.“

Einer, der ebenfalls auf die Bus-Werbeaktion setzt, ist Marc Gebhardt. „Zurzeit bilden wir zwei Lehrlinge zum Metallbauer mit Fachrichtung Konstruktionsbauer aus. Wir müssen aber zukunftsorientiert denken. Zwei neue Lehrverträge sind kürzlich unterschrieben worden. Hoffentlich bleiben die beiden Azubi-Anwärter auch“, fügt der Geschäftsführer der Metallbau Wiedenbein GmbH in Wernigerode hinzu.

Bei den Tischlern sieht es meist ähnlich aus. „Zu den Problemen unseres Handwerks gehört oft, dass viele überhaupt kein konkretes Bild von der Arbeit einer Tischlerei haben“, sagt Frank Bögelsack, Geschäftsführer der Bau- und Möbeltischlerei in Langenstein, und betont: „Wir sind keine Tischlerei á la Meister Eder, sondern ein sehr kreatives Unternehmen. Nur stupides Schleppen und Einbauen von Fenstern gibt es bei uns nicht.“