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Wildschäden Schweinerei nimmt kein Ende

Die Wildschweinplage in Wernigerode ist weiterhin ein großes Problem und zahlreiche Gartenbesitzer berichten von den Verwüstungen.

06.07.2017, 23:01

Wernigerode l Elisabeth Zimmermann ist nicht zum Lachen zumute. „Bei uns in der Rosa-Luxemburg-Straße waren sie bereits das fünfte Mal. Das ist nicht lustig“, sagt die Wernigeröderin. Sie – das sind die Wildschweine, die seit Wochen und Monaten Gärten in Hasserode verwüsten.

Im Hasenwinkel sprechen Grundstückseigentümer von „Aufgeben“. Über 1000 Tulpenzwiebeln „haben die Biester aufgefressen, keine einzige Kartoffel ist mehr im Boden“, hadert ein Rentner und schaut auf die aufgewühlte Erde seines Hausgartens. Bei seiner Nachbarin haben die Schweine die wunderschönen Rosenbeete umgepflügt.

„Kaum hatte meine Mutter alles wieder in Ordnung gebracht, da folgte zwei Tage der nächste Überfall“, sagt Bianca Volkmann-Milz, die beim Aufräumen hilft. Die Tochter habe sich hilfesuchend an das Ordnungsamt gewandt. „Wir sollen unsere Zäune dicht machen, haben sie gesagt.“

Dass das nur bedingt hilft, weiß der Hausmeister von der Parkhaus-Villa nebenan. Laufend schaffe er Material aus dem Baumarkt heran. „Sie kommen aus dem Wald, überwinden locker den Bach und graben sich immer wieder ein neues Schlupfloch.“ Diesmal hatten die Wildschweine nicht die Beete, sondern die Wiese im Park verwüstet.

Zu den Opfern der Schwarzwild-Raubzüge zählt sich auch Eberhard Gentsch am Kapitelsberg. Die Schweine haben bei ihm Erdbeeren und Bohnenkraut herausgerupft. Beim Nachbarn haben sie den Zaun eingedrückt. „Die Viecher haben ganz schön Kraft.“ Seit 1965 wohnt der Wernigeröder dort: „Bisher hatten wir noch nie Probleme mit Wildschweinen.“

Bis zur alten Kaufhalle sind die Schwarzkittel vorgedrungen, berichtet Holger Becker, der 20 Meter entfernt in der Trift wohnt und in seinem Garten ebenfalls Besuch von den Schweinen hatte. Selbst entlang der vielbefahrenen Friedrichstraße, auch L 100 genannt, sind die Wildschweine bereits gesichtet worden. „Wer weiß, vielleicht kommen sie irgendwann auf den Marktplatz“, sagt Holger Becker.

Ähnliche Meldungen gehen derzeit laufend im Ordnungamt ein, berichtet Pressesprecher Tobias Kascha. Bis Ende nächster Woche sollen die Beschwerden im Rathaus gesammelt werden. „Dann wollen wir uns zusammensetzen, uns anschauen, wo die räumlichen Schwerpunkte liegen und was wir tun können.“

Amtsleiterin Anja Münzberg versichert auf Volksstimme-Nachfrage: „Seitens der Stadtverwaltung erfolgt seit Tagen eine verstärkte Bejagung der Wildschweine.“ Da das Schießen von Tieren im Stadtgebiet nicht erlaubt ist, können diese nur außerhalb der Bebauung gejagt werden. Seit April seien bereits über 30 Wildschweine geschossen worden.

Zurzeit gestaltet sich die Jagd wegen des Bewuchses schwierig, sagt Frank Lüddecke. „Nicht umsonst ist unsere Hauptjagdzeit erst ab September bis November, so der Vorsitzender der Jägerschaft Wernigerode weiter.

Gleichzeitig bestätigte Lüddecke, dass Jäger bemüht seien, die Schweine zu schießen - ohne dabei jedoch zu riskieren, ihren Jagdschein zu verlieren. Immerhin müssen rund 2000 Euro dafür berappt werden. „Wir dürfen also nicht einfach drauf losballern, wenn sich eine Rotte Wildschweine nähert.“ Es gebe genaue gesetzliche Vorschriften, sagt Lüddecke.

In der Fachsprache heißt es, der Jäger muss sich erst einen Gesamteindruck verschaffen, also wissen, ob eine Bache dabei ist, ob die Mitläufer eventuell auch schon tragend sind. Diese Tiere dürfen nicht geschossen werden.

Und die Plagegeister direkt im Wohngebiet Hasserode waidmännisch zu erlegen, das erlaubt die Untere Jagdbehörde der Kreisverwaltung in Halberstadt nicht. Wie sie auf Nachfrage informierte, gebe es zwar die Möglichkeit, für den Abschuss von Schwarzwild in städtischem Gebiet eine Schießerlaubnis zu erteilen. In Hasserode sei dies wegen der örtlichen Gegebenheiten zu gefährlich.

Anders in Thale. Die Stadt habe laut Waffenbehörde eine Genehmigung. Jäger gehen im Auftrag des Ordnungsamts auf die Pirsch – „aber nur dann, wenn es absolut nötig ist“, berichtet dessen Leiter Philipp Zedschack. Probleme mit Wildschweinen kennen die Thalenser seit Jahren. „Die Plage haben wir eigentlich immer.“ Der Kurpark und Hexentanzplatz werden regelmäßig von Schwarzwild heimgesucht, ebenso die Ortsteile Altenbrak und Treseburg. In bebautem Gebiet seien die Tiere aber bisher nicht aufgetaucht, so Zedschack.

Ähnlich sieht es in Quedlinburg aus. Vorsorglich hat ein Jäger eine Schießerlaubnis für das gesamte Stadtgebiet beantragt, sagt Kai Wiebensohn, in der Stadtverwaltung zuständig für Forst und Jagd. „Bislang sind Wildschweine noch nicht in die Stadt gekommen.“

Dass dies möglich ist, zeigen Berichte aus Bitterfeld. Dort hatten Wildschweine Anfang 2014 die Stadt in Atem gehalten. „Die Tiere wurden am Europagymnasium, an Kindertagesstätten, am Supermarkt und im Stadtpark gesichtet“, berichtete seinerzeit die Volksstimme. Durch regelmäßige Kontrollgänge und die Beräumung von Rückzugsflächen habe man die Schweine aus der Stadt drängen können, erklärte Stadtjäger Harald Eisenmann Presseberichten zufolge. Ein Übriges hätten drei Drückjagden im Goitzschewald getan.

Den Hasserödern hilft das gute Beispiel im Moment nicht. Doch vielleicht eine Recherche im Internet?

In der Tat: Eine Firma aus Rottal in Bayern wirbt mit einem Mittel, das Borstentiere fernhalten soll. Es handelt sich um Pellets mit natürlichem Geschmacksstoff, der bei den Wildschweinen ähnlich wirkt wie bei uns Menschen bei scharfem Chili. Das Gebrech, also das Maul, brennt, die Wildschweine beginnen anschließend zu randalieren, was der Leitbache nicht passt. Sie zieht lieber mit ihrer Rotte ab, heißt es in der Beschreibung.