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Am Montag dabei Frauenhäuser zeigen Flagge

Mitarbeiterinnen des Frauenhauses werden auf dem Magdeburger Alten Markt dabei sein bei der „Tour der Frauenhäuser“.

Von Gudrun Billowie 05.03.2016, 00:01

Wolmirstedt l Eine Frau kniet auf dem Boden. Weint. Der Mann, sehr groß, steht vor ihr, zerrt an ihren Haaren. Das fiese Lachen - Ha Ha Ha - schwebt bedrohlich über seinem Kopf. Das Kind steht hinter seiner Mutter, weicht zurück, spürt Schmerzen im Bauch, so stark, als wäre der geöffnet. „Die Schläge, die meine Mama bekam, spürte ich in meinem Bauch...“, schreibt die 12-jährige Amela. Das ist das Plakat, mit dem die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses am Montag nach Magdeburg fahren. Auf dem Alten Markt wollen sie mit anderen Frauenhausmitarbeiterinnen auf die immer wieder vorkommende Gewalt aufmerksam machen, darauf, dass Frauenhäuser notwendig sind und zuverlässig finanziert werden müssen.

Wladilena Engelbrecht, Ramona Petsch und Carmen Rygulla wissen, dass solche Szenen, wie auf dem Plakat, im echten Leben vorkommen. Sie arbeiten im Frauenhaus des Kreises und bieten Frauen und Kindern Schutz, die vor den Männern fliehen. Oft werden sie von der Polizei gebracht. Der Ort ist streng geheim.

Wer die Sicherheitsschleuse passieren durfte, steht im hell gestrichenen Flur. Von dem gehen Zimmer ab, für Mütter und für Kinder. Die Räume sind zweckmäßig ausgestattet, die Kinderbettchen mit bunter Bettwäsche bezogen, es gibt Spielzeug und viele Kinderbilder an den Wänden. Es ist ein Ort, der Ruhe bietet, dazu Menschen, deren Geschichten sich ähneln und die Obhut von Wladilena Engelbrecht, Ramona Petsch und Carmen Rygulla, das offene Ohr, die Begleitung beim Gang zu Ämtern, Ärzten oder in die Schulen der Kinder. Dazu gibt es Gespräche, die Wege zeigen, wie das Leben nach dem Aufenthalt im Frauenhaus anders weitergehen kann als vorher.

Das Frauenhaus gibt es seit beinahe 25 Jahren und der Bedarf an dieser Art von Schutz ist groß. Es kommen Frauen und Kinder aller Schichten und zunehmend auch Frauen mit Migrationshintergrund. Nicht erst jetzt, wo so viele Menschen auf der Flucht sind. „Am meisten Frauen und Kinder kamen 2013“, sagt Wladilena Engelbrecht. Da suchten 64 Frauen und 57 Kinder Schutz, davon hatten gut die Hälfte, nämlich 29 Frauen und 28 Kinder, einen Migrationshintergrund. Alle Schutzsuchenden blieben durchschnittlich fünfeinhalb Wochen im Frauenhaus.

Zwei Jahre später, also 2015, fanden 37 Frauen und 39 Kinder im Frauenhaus ein Zuhause auf Zeit, davon hatte wieder gut die Hälfte, 14 Frauen und 16 Kinder, einen Migrationshintergrund. Im vergangenen Jahr blieben die Schutzsuchenden im Schnitt sogar elf Wochen.

Ziel der Frauenhausmitarbeiterinnen ist stets, die Frauen und Kinder in ein selbstbestimmtes Leben zu entlassen, das oft nur ohne den gewalttätigen Mann möglich ist. Bei den Frauen und Kindern aus anderen Kulturkreisen ist die Betreuung um einiges schwieriger. „Wir verständigen uns englisch oder mit Händen und Füßen“, erzählt Carmen Rygulla. Auf jeden Fall sei die Arbeit intensiver, weil die Begleitung bei Arzt- und Behördenbesuchen unumgänglich ist.

Um diese Arbeit zu leisten, brauchen die Mitarbeiterinnen in Frauenhäusern Sicherheit und Anerkennung. Auf der Tour der Frauenhäuser wird deshalb gefordert, die Frauenhausfinanzierung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Die Tour führt durch alle 16 Bundesländer, ist in Kiel gestartet und macht am Montag, 7. März, in Magdeburg Station.

In Sachsen-Anhalt gibt es 20 Frauenhäuser, die Forderungen decken sich mit denen, die die Wolmirstedter Mitarbeiterinnen aufstellen. „Wir wollen eine tarifgerechte Bezahlung aller Mitarbeiter“, sagt Wladilena Engelbrecht. Gefordert wird von ihnen schließlich viel. Sie haben alle einen Hochschulabschluss und sind lange schon dabei, doch die vom Ministerium vorgeschriebenen Entgeltgruppen liegen weit entfernt. Das ist deshalb möglich, weil das Frauenhaus in freier Trägerschaft geführt wird, in diesem Fall vom Rückenwind e.V.

Die zweite Forderung ist die nach einer Hauswirtschaftshilfe, am besten noch samt Hausmeister. „Zur Vorbereitung pädagogischer Maßnahmen“, sagt Wladilena Engelbrecht und meint damit zum Beispiel zur Vorbereitung von Kindergeburtstagen. „Wir wollen den Frauen zeigen, wie hübsch dekoriert wird, wie liebevoll so ein Fest ausgerichtet werden kann“, erklärt Ramona Petsch. Das soll Mut fürs Leben geben. Aber auch die Hilfe für die Herrichtung der Zimmer, die manchmal über Nacht benötigt werden, wird gebraucht. Auch ein Hausmeister, der Dinge repariert und Wände streicht, wäre gern gesehen.

Die dritte, die beinahe wichtigste Forderung steht viele Jahre schon im Raum und soll Kindern, wie Amela, dem Mädchen vom Plakat, zugute kommen. „Wir brauchen dringend Mitarbeiter für die Kinder“, sagt Wladilena Engelbrecht, „sie sind traumatisiert und müssen neue Muster lernen, jenseits der Gewalt.“ Die Not der Kinder soll am Montag sichtbar werden. In den Magdeburger Himmel steigen gegen 13 Uhr 500 rote Luftballons.