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DRK Tafelgärtner ernten für Bedürftige

In der Wolmirstedter Gartensparte 1947 werden vier Tafelgärten bewirtschaftet. Obst und Gemüse wird der Tafel zur Verfügung gestellt.

Von Gudrun Billowie 15.09.2016, 01:01

Wolmirstedt l Die Äpfel leuchten in der Morgensonne. Tafelgärtnerin Angelika Hollstein schaut, ob sie schon reif sind, doch ein paar Tage dürfen sie noch hängen bleiben. Erst später werden sie gepflückt und sorgsam in einen Korb gelagert. Der wird zusammen mit weiteren Erntekörben an den Straßenrand der Colbitzer Straße gestellt. Dreimal pro Woche fährt dort ein Auto des Deutschen Roten Kreuzes vor, lädt ein und bringt das erntefrische Obst und Gemüse zur Tafel in die Heinrich-Heine-Straße. Dort werden Bedürftige mit den frischen, regionalen Früchten versorgt.

„Diese Tafelgärten sind eine große Bereicherung für uns“, sagt Mandy Oelke, die beim Deutschen Roten Kreuz für die Tafeln zuständig ist. Diese Tafeln nutzen Rentner, die mit der Grundsicherung kaum über die Runden kommen, Familien und zunehmend auch Migranten. Über 350 Bedarfsgemeinschaften sind als Tafelnutzer beim Deutschen Roten Kreuz in Wolmirstedt gemeldet, eine Bedarfsgemeinschaft kann eine Einzelperson sein oder eine mehrköpfige Familie sein. Mandy Oelke geht von über eintausend Personen aus, die von der Tafel profitieren.

Frisches ist stark nachgefragt. „Unsere Mitarbeiter haben viele Tipps für die Zubereitung von Obst und Gemüse parat“, sagt Mandy Oelke. Die Hauptnachfrage gilt den Kartoffeln. Doch damit wollen sich die Tafelgärtner nicht zufrieden geben. „Wir probieren gern Neues aus.“ Angelika Hollstein zeigt auf eine Reihe zarter grüner Pflänzchen. „Hier haben wir haben Mangold ausgesät. Mal sehen, ob dieses Gemüse von den Nutzern angenommen wird.“ Bei Kohlrabis macht sie sich da wenig Sorgen, weiß, dass auch Möhren, Sellerie, Porree, Bohnen oder Gurken gern genommen werden.

Die Gartensparte liegt zwischen Bauernweg und Colbitzer Straße. 16 Mitarbeiter kümmern sich um die vier Gärten, an deren Eingang ein Schild erklärt: „Ich bin ein Tafelgarten“. Vom 2. Mai bis zum 30. November gelten die Mitarbeiter beim Jobcenter als sogenannte Ein-Euro-Jobber, im Amtsdeutsch heißt das Arbeitsgelegenheit mit Aufwandsentschädigung. Die Männer und Frauen arbeiten 20 Stunden pro Woche, von montags bis donnerstags, jeweils fünf Stunden.

Dennoch, wer im Tafelgarten arbeitet, muss auch flexibel sein. „Gerade bei der starken Hitze und Trockenheit muss auch am Wochenende gewässert werden“, sagt Wolfgang Großmann, „diese Zeit schreiben sich die Mitarbeiter als Überstunden gut, die bei schlechtem Wetter abgebummelt werden können.“

Wolfgang Großmann ist der Koordinator für AgH-Maßnahmen, so werden die Arbeitsgelegenheiten mit Aufwandsentschädigung abgekürzt. Träger dieser Maßnahme ist die Verbandsgemeinde Elbe-Heide. „Dort bewirtschaften wir ebenfalls Tafelgärten“, sagt Wolfgang Großmann, „es gibt dort viele Menschen, die mitarbeiten wollen.“ Er führt bereits eine Warteliste.

Diese Nachfrage nach Jobs in den Tafelgärten scheint sich auch in Wolmirstedt zu entwickeln. Andrea Beck, die ebenfalls zum Tafel-Team in der Gartensparte „1947“ gehört, will im nächsten Jahr unbedingt wieder dabei sein. „Ich bin unter Leuten und kann in der Natur arbeiten“, nennt die Mutter von sieben Kindern ihre Motivation.

Eine 26-jährige gehört ebenfalls zum Team. Sie hat lange in Norwegen als Köchin gearbeitet, ist inzwischen nach Wolmirstedt zurückgekehrt und schätzt ebenfalls die Arbeit an der frischen Luft.

Warum ausgerechnet in der Sparte „1947“ vier Gärten als Tafelgärten auserkoren wurden, nennt Wolfgang Großmann Zufall. „Hier gab es nebeneinanderliegende beziehungsweise nah beieinanderliegende Gärten.“ Da lasse sich die Arbeit logistisch gut händeln. Außerdem sind die Gärten mit über 600 Quadratmetern relativ groß, sodass viel Obst und Gemüse angebaut werden kann. Demnächst wird ein fünfter Garten urbar gemacht. Auch die anderen vier Gärten, die zum Teil lange brach lagen, mussten vor der Bewirtschaftung von Unkraut und Gesträuch befreit werden.

Saatgut, Arbeitsgeräte und warme Arbeitskleidung werden vom Jobcenter finanziert. Was benötigt wird, besorgt Wolfgang Großmann. Demnächst wird er mehr Grabegabeln bringen, denn bald wird Pferdemist zum Unter- graben angefahren.

Wolfgang Großmann ist außerdem pädagogischer Leiter für Menschen, die im Bundesfreiwilligendienst arbeiten. In der Verbandsgemeinde Elbe-Heide gebe es dafür genug Bewerber. Auch in Wolmirstedt hätte er die sogenannten Bufdies gerne etabliert. Menschen aller Altersgruppen, auch Vorruheständler, sind dafür gerne gesehen und könnten beispielsweise Sportvereinen bei der Pflege der Sportanlagen helfen. „Leider haben sich hier keine Interessenten gemeldet“, bedauert Wolfgang Großmann.

Um so mehr freut er sich über die Erfolgsgeschichte Tafelgärten. Bei der Arbeit sind nicht nur die Pflanzen aufgeblüht, sondern auch die Mitarbeiter. Angelika Hollstein strahlt: „Ich habe inzwischen selbst einen Garten gepachtet“, erzählt die gelernte Tischlerin, „ich mag die Arbeit in der Natur unheimlich gerne.“ Mehr Zeit zum Plaudern bleibt ihr nicht. Sie will das gute Wetter nutzen und die Erde der Grünkohlbeete lockern.