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Kneipentour Puffer-Paule und Schlappen-Köhler

70 Barleber sind gemeinsam mit dem Heimatverein auf eine besondere „Kneipentour“ gegangen.

Von Regina Malsch 04.10.2016, 23:01

Barleben l Um es schon mal vorwegzunehmen: Die Barleber waren einmal sehr gesellig und feierfreudig. Und so ist es nicht verwunderlich, dass es in dem Ort früher bis zu 15 Kneipen gab – die meisten und ältesten entlang der Hauptmagistrale, dem Breiteweg. Begonnen aber wurde die Tour in der Bahnhofstraße, gegenüber dem Internationalen Gymnasium. Dort befand sich zu früheren Zeiten die Gaststätte „Hubertus”, auch bekannt als „Café Hindenburg“. Die gibt es wie die meisten alten Kneipen schon lange nicht mehr. Aber die Erinnerung an die Zeiten sind bei vielen älteren Barlebern noch lebendig, wie aus vielen Zwischenrufen oder kleinen Anekdoten – von Teilnehmern augenzwinkernd erzählt – deutlich wurde.

Heike Hildebrandt, Vorsitzende des Heimatvereins, sagte zur Begrüßung, dass „die Barleber sich nich uffjebrezzelt haben“, wenn sie früher in die Kneipe gingen. „Haus Hubertus“ allein hätte mehr auf die „bessere Gesellschaft“ gesetzt. Anneliese Meyer vom Heimatverein hielt die erste Rückschau. Neben einer kleinen Kneipe hätte es ein Caféund ein Jägerzimmer gegeben. Die Gaststätte, die wenige Jahre nach der Wende geschlossen wurde, verfügte sogar über eine Empore mit Sofa. Als Besitzer sind Elsbeth Riechert und später Paul Gehrmann bekannt. Letztere war bekannt für seine leckeren Puffer. Die Barleber gaben ihm deshalb den Spitznamen „Puffer-Paule“.

Bevor die Gruppe die zweite Station ansteuerte, eröffnete erstmal die rollende „Heimat-Kneipe“. Auf zwei Bollerwagen wurden Schmalzstullen und diverse Getränke angeboten. Station 2 war die Bahnhofsgaststätte, die nach der Einweihung des Bahnhofes 1872 viele Jahre betrieben wurde. „Hier gab es ganz leckere, rote Faßbrause“, war zu hören. Genaueres wusste Erich Wehner, der auch Fotos herumreichte. Die Kneipe sei nicht nur für Bahnreisende interessant gewesen, auch Brigadefeiern fanden hier statt.

Da sei es immer hochhergegangen. In der Nachkriegszeit ließ der Wirt die Kneipe manchmal länger geöffnet – für die Barleber, die sich an den Kohlezügen „bedienten“. Später übernahm die Mitropa die Räumlichkeiten. Gefeiert wurde immer noch ausgelassen. Siegbert Pihau erzählte, dass er 1958 für drei Mark in Westberlin eine Schallplatte von Elvis Presley gekauft hatte. „Aus dem Zug raus, rein in die Kneipe und die Platte aufgelegt“. Bis in die Morgenstunden sei dann zu „Tutti Frutti“ und „Jailhause Rock“ wie verrückt getanzt worden.

Den „Lindenhof“ gab es etwa seit 1920, der Wirt Robert Köhler hatte den Spitznamen „Schlappen-Köhler“. Das und mehr war von Anni Brauer zu hören. Die ebenfalls sehr beliebte Gastronomie gab es nur bis in die 50er Jahre. Nur wenige der Barleber können sich noch daran erinnern.

Station 4 war die „Goldene Kugel“, die Liesel Penak näher vorstellte. Es ist von den alten Gaststätten die letzte, die es noch gibt. Hier traf man sich zum Skat, hörte dem Schifferklavierspieler zu oder machte Geschäfte. „Und so kam es, dass mancher sternhagelvoll, aber mit gutgefülltem Portemonaie nach Hause kam“, merkte Heike Hildebrandt an.

An der nächsten Station erinnert nichts mehr daran, dass hier mal der Bär gesteppt hat. 1824 war im ältesten Teil des Dorfes der „Schwarze Adler“ eröffnet worden, 1919 von Fleischereibesitzer Karl Kuhlmann gekauft und erweitert. Sein Enkel Erich Wehner erinnerte daran, dass hier 1947 die Theatergruppe „Bunte Bühne“ gegründet wurde und am 7. November 1989 die letzte DDR-Einwohnerversammlung stattfand. Über die Ortsgrenze bekannt wurde die Gaststätte als „Volkshaus“. Auf dem großen Tanzsaal sei immer was losgewesen. In den 70er Jahren begann die Discozeit, bekannte DJ hätten sich die Klinke in die Hand gegeben. 2005 war dann endgültig Schluss, das Haus wurde abgerissen, musste einem Neubau weichen. Einer der bekanntesten Wirte war übrigens Manfred Hermann. Gleich gegenüber befand sich das „Deutsche Haus“, später „Friedenseck“. Auch dort gab es einen großen Saal, wo sich die Barleber amüsierten. Um die Leute in Stimmung zu bringen, sei es auch mal vorgekommen, - so weiß Heike Hildebrandt - dass ihr Opa Walter Borsch mit Ziegenbock und Wagen auf den Saal kam. Außerdem gab es ein Vereinszimmer, wo sich die Sportfreude von „Motor Barleben“ trafen. Heute befindet sich hier eine Pizzeria.

Eine weitere historisch sehr bedeutsame und große Gaststätte mit Saal, Bierkneipe und Café war der „Braune Hirsch“, heute Spielepunkt und Sparkasse. Erika Kieper stellte die 7. Station näher vor. Etwa von 1947 bis in die 70er Jahre fanden dort an jedem Wochenende Tanzveranstaltungen statt. Besonders die Maskenbälle oder die Vereins-Veranstaltungen waren beliebt. Die „Bunte Bühne“ ist hier regelmäßig aufgetreten, es gab Jazzkonzerte und Tanzstunden.

Den letzten Halt machten die „Kneipengänger“ vor „Stadt Magdeburg“. Diese Kneipe war immer in Privatbesitz. Besonders beliebt waren die Broiler, die hier gebrutzelt wurden. Später wurde hier Essen vom heißen Stein angeboten. Auch Familienfeiern oder Tanzabende fanden statt. 2005 war auch mit dieser historischen Gaststätte Schluss.