1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Sozialverträgliche Lösung finden

Streit um Gebühren Sozialverträgliche Lösung finden

Ab 1. August könnten die Elternbeiträge für die Betreuung in den Kitas der Einheitsgemeinde Zerbst teils drastisch ansteigen.

Von Daniela Apel 14.04.2016, 07:00

Zerbst l Die Diskussion um die zukünftige Höhe der Kita-Beiträge hat begonnen. Das Ergebnis ist momentan völlig offen. Mit der vor allem im Krippenbereich vorgeschlagenen Anhebung der Platzkosten um 34 bis 76 Euro sind einige Kommunalpolitiker nicht einverstanden. Das wurde am Dienstagabend deutlich, als sich der Sozialausschuss mit der Thematik auseinandersetzte. Erstmals befasste sich damit ein Stadtratsgremium mit den konkreten Zahlen. Die vorsorglich in den Ratssaal verlegte Sitzung ließen sich auch über 50 Mütter und Väter nicht entgehen, von denen einige ihre Sprösslinge mitgebracht hatten. Sie erlebten, wie sich mehrere der Bürgervertreter deutlich gegen eine solche, teils drastische Steigerung der Gebühren aussprachen.

„Ich denke, Erhöhungen wird es geben, aber diese müssen wir moderat und sozialverträglich gestalten“, erklärte Uwe Krüger (SPD). „Wen trifft es denn am härtesten? Es sind die jungen Leute, die relativ wenig verdienen“, sagte Bernd Wesenberg (Bündnis 90/Grüne). Für manche sei selbst eine Mehrbelastung von 80 Euro im Monat nicht zu stemmen, wie Wolfgang Berzau (Linke) einwarf. „Die haben diese Lohnerhöhung nicht“, gab er zu bedenken. „Das Problem ist der immense Anstieg im Krippenbereich. Da müssen wir uns Gedanken machen, ob wir das stadtseitig subventionieren“, fand Nicole Ifferth (UWZ). „Wir können als Fraktion mit dem Vorschlag erstmal nicht mitgehen und lehnen ihn als CDU ab“, sagte Bernd Adolph.

„Die Misere, die wir hier haben, hat das Land verbockt und wir müssen es ausbaden“, erklärte Mario Rudolf (FFZ). Dies sei eine schwierige Aufgabe, „weil wir nicht an den Hebeln sitzen, um das gestalten zu können“. „Eltern wie Gemeinde stehen mit dem Rücken an der Wand“, konstatierte Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD). Wenn es eine auskömmliche Finanzierung gebe, könnte die Stadt mehr als die Hälfte des verbleibenden Defizits tragen, wie er darlegte. „Wir stecken in dem Dilemma, dass das Land die Standards der Einrichtungen und den Verwaltungsüberbau vorschreibt, aber die Mehrkosten für das neue Kifög nicht in vollem Umfang ausgleicht.“

Dittmann spielte auf die Änderungen mit dem 2013 in Kraft getretenen Kinderförderungsgesetzes (Kifög) an, das unter anderem zu einer Verbesserung des Betreuungsschlüssels und gestiegenen Anforderungen an die pädagogische Arbeit führte. Kostentreibend wirkten sich zudem Tariferhöhungen aus. Bei den Pauschalzahlungen von Land und Landkreis indes sei diese Entwicklung nicht betrachtet worden, wie Evelyn Johannes erläuterte. Die entstandene Differenz müssten jetzt Eltern und Kommune tragen, so die zuständige Amtsleiterin.

Hinzu kommt die prekäre Haushaltslage der Stadt, die vor allem zwei wesentlichen Aspekten geschuldet ist: den gesunkenen allgemeinen Zuweisungen durch das Land und der gestiegenen Kreisumlage. Unterm Strich verursacht das ein Finanzloch in der Planung für 2016 von rund einer Million Euro. Die Anhebung der Kita-Gebühren ist ein Mittel, um dem Fehlbetrag entgegenzuwirken.

Zugleich ist der Beschluss der Kostenbeitragssatzung notwendige Voraussetzung, um den Haushaltsplan zu verabschieden, wie Dittmann erneut verdeutlichte. „Wir sind bei der Kalkulation der Elternbeiträge an die 50-50-Grenze rangegangen. Wenn der Stadtrat mehr subventionieren will, muss er sagen, bei welcher Haushaltsposition gekürzt werden soll“, erklärte der Bürgermeister. Auch ihm war bewusst: „Die Gekniffenen sind die Eltern, die die Kita-Gebühren nicht vom Jugendamt erstattet bekommen und nur ein geringes Einkommen haben.“ Das konnte Detlef Friedrich (CDU) bestätigen: „Ich habe mit Eltern gesprochen, die sagen: ,Wir zahlen Steuern und fühlen uns wie gemolkene Tiere.‘“

„Wir sind bereit, etwas von dem Defizit mitzutragen, aber das ist zu hoch“, wandte sich Susan Heinrich als Elternteil an die Ausschussmitglieder. Zugleich wies die Mutter eines ein- und dreijährigen Kindes auf die möglichen Konsequenzen steigender Gebühren hin. Manches Paar entscheidet sich dann womöglich nicht für weiteren Nachwuchs, andere nehmen ihre Sprösslinge aus der Einrichtung, weil sie sich diese nicht mehr leisten können. Oder sie ziehen in eine Kommune, in der die Beiträge niedriger ausfallen.

„Die Eltern werden gezwungen, die Betreuungsstunden zu kürzen oder gar ihren Job aufzugeben, weil Hartz IV günstiger ist“, sagte Tobias Ulrich. Der Vorsitzende der Landeselternvertretung empfahl den Stadträten dringend, den Satzungsentwurf zurückzuweisen. „Die Eltern können am wenigsten für die Fehler der Politik“, betonte er.

Bis September 2017 habe das Land Zeit, die Kifög-Finanzierung nachzubessern, erinnerte Dittmann an das Urteil des Landesverfassungsgerichts. Eine Nachjustierung ist seiner Ansicht nach zwingend notwendig.

„Vielleicht sollten wir bis dahin von einer Änderung absehen“, überlegte Mario Rudolf. Unterdessen rief Hans-Ulrich Müller (UWZ) die Stadträte auf zu schauen, wie der Fehlbetrag anders zu deckeln ist und die Kita-Gebühren sozialverträglich – um maximal 10 bis 15 Prozent –zu erhöhen.