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Kinderpolizei Bösewichte aus dem Märchenwald

Im Alltag lauern für Kinder viele Gefahren. Steffen Claus hat sich etwas Besonderes einfallen lassen, um Kindern diese nahe zu bringen.

Von Emily Engels 14.10.2016, 11:00

Zerbst l Die Geschichte vom lieben Rotkäppchen und dem bösen Wolf kennt jedes Kind. Doch Steffen Claus, der heute in der Kindertagesstätte (Kita) Heide die Geschichte erzählt, ist kein „Märchenonkel“. Er nutzt die Erzählung, um den Kindern zu erzählen, was das kleine süße Mädchen mit dem roten Hütchen alles falsch gemacht hat. „Leider eine ganze Menge“, meint er zu den Kindern.

Zur Veranschaulichung hält Steffen Claus eine Rotkäppchen-Puppe hoch. „Rotkäppchen ist vom Wege abgekommen“, sagt er und erklärt danach, was Kinder auf der Straße beachten sollten. „Wenn ihr über einen Zebrastreifen geht, schaut trotzdem gut und streckt eure Hand nach vorne“, erklärt er. Das Rotkäppchen habe danach auch noch Auskunft darüber gegeben, wo ihre Großmutter wohnt. „Sagt niemals einem Fremden eure Adresse“, appelliert Claus. Doch auch die Großmutter habe etwas falsch gemacht: Sie habe die Tür nicht abgeschlossen.

Positive Märchenhelden seien hingegen Hänsel und Gretel. „Sie haben beide die böse Hexe ausgetrickst“, erzählt er. Und fügt gleich hinzu: „Natürlich darf man eigentlich nicht lügen. Nur, wenn Gefahr droht!“

Steffen Claus ist nicht nur Polizist in Ruhestand, sondern auch der Vereinsvorsitzende des Agentur Schutzengel. Die Vereinsmitglieder haben es sich zur ehrenamtlichen Aufgabe gemacht, Kinder in ihrem Verhalten zu schulen und dabei vorausschauend mögliche Gefahren zu behandeln. „Es reicht nicht nur die Aufklärung durch mich“, warnt Steffen Claus. Um wirklich etwas zu erreichen, müssen danach die Eltern weitere Aufklärungsarbeit leisten. Deshalb klärt er nicht nur die Kinder auf, sondern auch ihre Erziehungsberechtigten.

Doch erst mal zurück zum Märchenwald. Steffen Claus hält eine blasse Puppe mit pechschwarzem Haar hoch. „Sie mag zwar die schönste im Märchenwald sein, ist aber auch mit Abstand die dümmste“, sagt er. Er erklärt den Kindern, warum das so ist: „Da wohnt sie in dieser Wohngemeinschaft mit den Zwergen und öffnet einfach die Tür, wenn ihre Mitbewohner auf der Arbeit sind.“ Die Mädels sollten sich lieber an starken Charakteren wie Pippi Langstrumpf orientieren.

Er holt ein kleines blondes Mädchen mit einem Elsa-Oberteil (Anm. d. Red.: Elsa ist die Eisprinzessin aus dem Disneyfilm „Frozen“) nach vorne. „Stell dir mal vor, es wäre ein kleines Kätzchen auf deinem T-Shirt“, beginnt er das Fantasiespiel. „Der Mann fragt dich, ob du mal echte Katzenbabys sehen willst. Dafür musst du aber erst in sein Auto steigen, um mit ihm dorthin zu fahren“, sagt er weiter.

Obwohl dies ein Klischee sei, müssten Kinder immer wieder vermittelt kriegen: Gehe oder fahre niemals mit Fremden mit. Und noch stärker: Gehe mit überhaupt niemandem mit, es sei denn, deine Eltern oder deine Erzieherin hat es dir erlaubt. Um zu verdeutlichen, wie schwer das für Kinder zu begreifen ist, sagt er: „Ich muss noch schnell etwas aus dem Auto holen, kommen zwei von euch mit?“ Sofort melden sich mehrere Kindern, einige springen bereits auf. Steffen Claus hält den Zeigefinger hin. „Was hab ich euch gerade gesagt?“

Danach will er den Kindern zeigen, dass das Böse viele Gesichter haben kann. „Wie würdet ihr einen Bösewicht beschreiben?“ fragt er in die Runde. Schnell packen die Kinder Klischees aus: Dunkles Haar muss er haben und einen grimmigen Blick. Dreckig muss seine Kleidung sein und dunkel die Stimme. „Alles falsch, was ihr gesagt habt“, meint Steffen Claus. Er erzählt den Kindern, dass hinter jedem Menschen ein Bösewicht stecken kann. „Es können auch die schüchternen, unscheinbaren Menschen sein, die eine ganz liebe Stimme haben“, meint er.

Die letzte Puppe, die der „Kinderpolizist“ hervorholt, ist ein Doktor. „Leider gibt es Menschen, die ein Problem da oben haben“, sagt er den Kindern und macht und tippt mit dem Zeigefinger mehrmals gegen seine Schläfe. „Was würdet ihr denn zum Beispiel machen, wenn einer in einem weißen Kittel auf den Spielplatz kommt und euch sagt, er sei ein Doktor und ihr sollt euch ausziehen?“ fragt er. Und noch weiter: „Gehen echte Ärzte denn auf den Spielplatz, um euch zu behandeln?“ Die Antwort wissen die Kinder zum Glück alle und rufen ein lautes „NEEEEEEIIIIIN“ in den Raum.

Zum Abschluss der Veranstaltung gibt es noch ein Theaterspiel, in dem den Kindern die Akteure einer Straftat verdeutlicht werden (Täter, Opfer, Augenzeuge, Polizist, Detektiv und Richter). Steffen Claus hofft, dass er auch dieses Mal wieder Kindern vermittelt hat, dass sie im Alltag ihren Verstand einsetzen sollten und stets auf der Hut sein sollten. Und wenn doch mal etwas passiert? Wen sollen sie dann anrufen und unter welcher Nummer? Das wissen sie ganz genau: die Polizei. Und auch die Nummer kennen sie schon. Sie rufen laut in den Raum: „Eins, eins, Osterei.“

Weitere Infos zu der Kinderpolizei unter www.agentur-schutzengel.de