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Aus dem gericht Mit Drogen-Geld Kindstod klären?

Ein Lindauer hatte zugegeben, gewerbsmäßig mit Cannabis gehandelt zu haben.

Von Bernd Kaufholz 09.06.2016, 09:00

Zerbst l Der Angeklagte Nino S. eine tragische Figur? Oder war das Ganze nur eine gut durchdachte Verteidigungsstrategie von Rechtsanwalt Ronni Krug?

Strafrichter Thomas Krille entschied sich letztlich für das Erstere und verurteilte Nino S. zu einer eher milden Haftstrafe: ein Jahr und sechs Monate, zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, zuzüglich 200 Stunden gemeinnützige Arbeit. Damit blieb Krille unter dem Antrag der Dessau-Roßlauer Staatsanwältin Heidrun Voß, die zwei Monate Haft mehr gefordert hatte.

Was ist nun das Tragische an diesem Fall gewerbsmäßigen und gemeinschaftlichen Handels mit Cannabis?

Mit leiser Stimme und feuchten Augen nannte der Zweimetermann den Grund, warum er sich ab Frühjahr 2014 im Nebenjob als Drogen-Anbauer versucht hatte. 2012 sei sein damals fünfeinhalb Jahre altes Kind, das er mit seiner ersten Frau hatte, gestorben. „Es war ein ärztlicher Kunstfehler. Das haben mir auch andere Mediziner bestätigt.“ Aber, um zu klagen, habe er nicht das nötige Geld gehabt. Als Betreiber einer Tierpension verdiene er nur rund 900 Euro im Monat.

Sein Neffe (gegen ihn wird in selber Sache gesondert verhandelt) habe ihn „mit einem Nebensatz“ darauf gebracht, dass man mit Rauschgift-Anbau „Geld machen“ könne. Dass der polizeibekannte Phillip Z. als Vertriebschef fungieren sollte, wies S., wenn auch halbherzig, von sich. Die Idee seines Neffen habe sich jedoch in seinem Kopf festgesetzt und er habe darin einen „Rettungsstrohhalm“ für seine finanzielle Lage gesehen.

Aufgeflogen war der illegale Anbau in der Laube auf seinem Grundstück, nachdem seine Noch-Ehefrau der Polizei Weihnachten 2014 einen Tipp gegeben hatte. Da waren die 92 Pflanzen durchschnittlich 40 Zentimeter hoch und mit einem reinen Wirkstoffgehalt von 2,3 Gramm reinem THC gerade erntereif.

Die gestern im fast durchsichtigen Mini erschienene, getrennt lebende Ehefrau musste allerdings auf ihren Auftritt vor Gericht verzichten. Richter Krille schickte sie ebenso wie den zweiten Zeugen, einen Kriminaloberkommissar, nach Hause. Denn nach dem Geständnis des Angeklagten waren keine Fragen mehr offen.

Zwar ging das Gericht nicht näher darauf ein, warum Christin-Maria S., mit der der Angeklagte ein zwei Monate altes Kind hat, das kriminelle Tun ihres Mannes verraten hatte, aber es klang mehr als durch, dass es zuletzt in der Ehe drunter und drüber gegangen ist. Allerdings bewertete Rechtsanwalt Krug die Anzeige bei der Polizei positiv: „Sie mögen es anders sehen“, sagte er seinem Mandanten, „ aber ihre Frau hat das einzig Richtige getan. Denn wäre die Ernte schon über den Ladentisch gegangen, stünden sie jetzt viel schlechter da.“

In seinem Schlusswort meinte der Anwalt: „Es gibt Handel und Handel. Mein Mandant hatte keinen Plan, an wen er das Cannabis verkaufen kann und einen Gewinn hatte er aus der Aufzucht ebenfalls noch nicht gezogen.“ Der Widerspruch zwischen der professionellen Anlage, deren Wert mit 2000 Euro beziffert wird und dem dilettantischen Gesamtkonzept, besonders, was den Vertrieb betrifft, liege auf der Hand. „Planlos, blauäugig, der Gefahr nicht bewusst.“

Richter Krille hielt S. zugute, dass er bisher nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war und die Sozialprognose gut ist. Auf die persönliche Situation eingehend, sagte er: „Schicksalsschläge sind keine Entschuldigung für kriminelle Taten.“