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Bildungsreise Polenzkoer im Bundestag

Eine Gruppe Polenzkoer besuchte die Bundeshauptstadt sowie den Regierungssitz.

Von Florian Westphal 17.10.2016, 23:01

Polenzko/Berlin l Auf jeden Fall sind die Sicherheitskontrollen beim Besuch des Berliner Bundestages lückenlos, das zumindest stellte eine Polenzkoerin fest, als sie vor dem Betreten des hohen Hauses – wie alle Besucher – kontrolliert wurde. Ihr in der Handtasche mitgebrachtes KO-Spray kam schnell zum Vorschein und wurde selbstverständlich kurzerhand in Beschlag genommen. Bis auf diese kleine ungewollte Begebenheit gestaltete sich der besondere Tag für diese Besucherin und die übrige Ausflugsgruppe als erlebnis- und abwechslungsreiche Zeit. Schließlich sind es nicht wenige Teilnehmer, denen sich erstmalig die mehrstündige Gelegenheit bot, in der Bundeshauptstadt das Reichstagsgebäude von innen zu sehen.

Aber von vorn. Es war ein besonderes Jubiläum, welches die Polenzkoer mit ihren Gästen und vielen Besuchern im Sommer begehen konnten. Ihr Ort wurde 800 Jahre alt. So gab es während der Feierlichkeiten auch zahlreiche Glückwünsche und Aufmerksamkeiten. Hier überraschte auch Kees de Vries (CDU) die Einwohner mit einem besonderen Geschenk. Der Bundestagsabgeordnete, mit seiner Familie im Nachbardorf Deetz wohnend, lud sie zu einem Ausflug nach Berlin ein, um ihn hier im Bundestag zu besuchen und seine Arbeit kennenzulernen. „Das freute uns natürlich ganz besonders. Im Ortschaftsrat besprochen und bestätigt, konnten sich die Interessenten unserer Ortsteile Polenzko, Mühro und Bärenthoren anmelden“, teilte Ortsbürgermeisterin Ruth Buchmann mit.

Mit anfangs einem kleineren Bus geplant, ging nun die Fahrt mit 41 erwartungfreudigen Bewohnern vom Kind bis zum Rentner Richtung Berlin.

Das umfangreiche Programm sprach für sich. Kaum auf dem Platz der Republik angekommen, begrüßte die Besucher auch schon Tobias Lehnert, selbst in Polenzko geboren und aufgewachsen, vor dem Reichstag. Als Pressesprecher der Abgeordnetenbüros des Gastgebers und Organisator des Programmablaufes gab er den Teilnehmern noch einmal wichtige Hinweise für ihren Aufenthalt im „hohen Hause“. Die notwendigen Sicherheitskontrollen geschafft und Garderobe abgelegt, war schnell ein Platz auf der Besuchertribüne mit dem direkten Blick auf den darunter befindlichen Plenarsaal gefunden.

Dort gab es eine kurzweilige Einführung in die Arbeit der Abgeordneten, ihre Sitzanordnung und viele interessante Details, die in diesem Umfang sonst Otto-Normal-Verbraucher wohl nicht erfährt.

Und auch im anschließenden mehr als einstündigen Gespräch mit dem Gastgeber Kees de Vries wurden viele Fragen beantwortet.

Als Bauer gilt de Vries als Spezialist für die Landwirtschaft und ist auch Mitglied des Landwirtschaftsausschusses. Dazu gab es viel zu diskutieren. Die Themen reichten von den zu stark gesunkenen Milchpreisen, über die Probleme im ländlichen Raum bis zu den rasanten Entwicklungen auf dem Sektor der erneuerbaren Energien.

Als Anziehungsmagnet erwiesen sich auch die Dachterrasse als Aussichtsplattform und die gerade nach einwöchiger Reinigung wieder freigegebene Kuppel.

Dort, wie auf dem gesamten Gelände, machte sich das internationale Flair mit den Besuchern aus aller Welt bemerkbar. So ließen sich die Gäste aus Namibia, die in ihrer auffallenden Landestracht gekleidet waren, gern fotografisch ablichten.

Und wie hat es den Berlin-Besuchern gefallen? Melina Rozing aus Polenzko zeigte sich begeistert. Die 13-jährige Schülerin war von den Dimensionen des Hauses, die von außen nicht so ersichtlich sind, beeindruckt. „Da wir uns fast alles ansehen konnten, vom unterirdisch großräumigen Kellergeflecht bis zur Kuppel, ist es für mich ein bleibender Eindruck.“

Dem stimmte auch der Polenzkoer Kevin Scott Scharping uneingeschränkt zu. Der ein Jahr ältere Schüler hat es, wie er sagte, nicht bereut und weiß, dass so schnell nicht wieder die Gelegenheit kommt, all das anzusehen. „Doch den Plenarsaal, wo die wichtigen Beschlüsse für das ganze deutsche Volk gefasst werden, hatte ich mir größer vorgestellt“, gab er zu.

Christian Nels sieht das auch aus einem anderen Blickwinkel. Das Ortschaftsratsmitglied, in Berlin groß geworden, machte auf die strengeren Eingangskontrollen aufmerksam. „Damals gab es hier keine Anmelde- und Abfertigungscontainer. Man konnte gleich bis zum Haupteingang gehen und sich erst im Gebäude kontrollieren lassen“, meinte er, zugleich mit der Prämisse, dass in Anbetracht der heutigen Lage strengere Kontrollen notwendig sind.

Auch das Gespräch mit dem Bundesabgeordneten hielt er für sehr interessant. Man konnte Fragen stellen, die einem am Herzen liegen. Man bekam Antworten, die sehr offen und unverblümt dargelegt und erläutert wurden. Er sehe nun doch einiges aus der großen Politik aus einem anderen Blickwinkel, sagte er. Es war eben zu merken, dass auch ein Bundestagsabgeordneter nicht so könne, wie er möchte, und manchmal auch unliebsame Entscheidungen mittragen müsse. Und wiederum zugeben müsse, dass manche seiner Anliegen und Wünsche in der Gesetzgebung nicht durchzusetzen seien.

Mit dabei war auch Bärbel Krolop, die als Dankeschön für die Organisation der Modenschau zur 800-Jahr-Feier zur Fahrt eingeladen wurde. Sie kritisierte in der Diskussion auch so manche Geldverschwendung für unsinnige Sachen: „Diese Euro für die Beraterverträge hätten den Schulen oder Kindereinrichtungen mehr genützt“.

Noch mit den Eindrücken beschäftigt, stand zur Stärkung das Mittagessen in der Besucherkantine an. Putenmedaillions und Kartoffelsuppe, Kuchen und Getränke standen zur Auswahl. Schließlich musste man sich für den nächsten Programmpunkt stärken. Dabei sorgte die anschließende geruhsame, einstündige Dampferfahrt aber willkommene Entspannung und Erholung bei Bier, Kaffee, Wasser oder Saft. Statt einer Stadtrundfahrt gab es noch eine Stunde Freizeit, um das Regierungsgelände rund um das Brandenburger Tor und das Bundeskanzleramt auf eigene Faust zu erkunden.

Viele Teilnehmer waren zum Abschluss im Gespräch vollen Lobes: Die Organisation sei perfekt gewesen. Es sei schließlich nicht leicht, alles fast minutiös vorzubereiten.

Man habe gemerkt, dass alle, – ob Gastgeber Kees de Vries und Tobias Lehnert oder die vielen Mitarbeiter im Bundesstag – Hand in Hand zusammenarbeiten. Es sei bemerkenswert, wie die einzelnen Teile wie Zahnräder ineinandergreifen, um den Besuchern ein optimales Erlebnis zu ermöglichen. Die Polenzkoer sind sich einig: Es wird sicherlich nicht der letzte Berlinbesuch gewesen sein. Vielleicht gibt es in zwei, drei Jahren eine weitere Einladung von Kees de Vries. Man darf gespannt sein. Schließlich sind bald die Wahlen.