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Vortrag Ein Verkehrsweg in und mit der Natur

Die Elbe: Der letzte natürliche Fluss Deutschlands oder eine vom Menschen gebändigte Wasserstraße? Diese Frage wurde in Steutz diskutiert.

Von Thomas Kirchner 27.03.2017, 06:00

Steutz l Kai Bandau, Facharbeiter für Wasserbau, arbeitet beim Wasser- und Schifffahrts-amt Elbe und ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Heimatmuseums Aken und gab am vergangenen Donnerstag Einblicke, wie sich die Elbe im Laufe der Jahrhunderte durch den Eingriff der Menschen verändert hat. Bandau beschäftigt sich seit Jahren mit der Elbe, seinen Läufen, die sich im Laufe der Zeit unzählige Male geändert haben und den Bauten in und entlang des Flusses.

Zu jeder Zeit machten sich die Menschen Flüsse zu Nutzen. Sie dienten mit der Fischerei als Nahrungsgrundlage, als Trink- und Brauchwasserquelle, Transportweg und sorgten letztlich für eine gute Bodenqualität, was sehr nützlich für den Ackerbau war und ist. „Das waren Gründe, weshalb sich die Menschen mehr an Flüssen ansiedelten als anderswo“, blickte Bandau zu Beginn seiner Ausführungen mehrere hundert Jahre zurück.

Schon im 17. Jahrhundert begannen die Menschen in den natürlichen Lauf der Elbe einzugreifen. Das Erscheinungsbild der Elbe wechselte ständig. Ihre Tiefe war eher gering. Flussbreiten von bis zu 500 Metern und Abschnitte die eher einem See statt einem Fluss ähnelten waren keine Seltenheit. Dann gab es wieder schmale, enge Bereiche mit mehreren Seitenarmen, viele Inseln und Sandbänke.

Der Fluss suchte sich sein Bett selbst und veränderte damit ständig seinen Verlauf. Dadurch kam es zu Landverlusten des Einen, worüber sich ein anderer freute, denn hatte er nun ein Stück mehr landwirtschaftlicher Nutzfläche zur Verfügung. Doch der Mensch begann sich zu wehren und die Elbe zu zähmen.

Erste Ringdeiche wurden errichtet, die Felder und Ortschaften umschlossen. Buhnen und Stackwerke lenken die Strömung. „So sicherte man damals schon mit relativ einfachen Mitteln gefährdete Uferbereiche“, erläuterte Kai Bandau. Mit diesen ersten wasserbaulichen Maßnahmen war jedoch noch keine Verbesserung der Schifffahrt verbunden. Sie dienten allein dem Schutz, dem Eigentumserhalt und der Landgewinnung.

Erst auf der Wiener Konferenz 1815 beschäftigten sich die Staaten mit der Schifffahrt auf den Flüssen. Alle Flussanlieger sollen künftig zusammen arbeiten, Schifffahrt soll frei sein, der Handel darf nicht untersagt werden. Weiterhin sollen die Verkehrsregeln für den gesamten Fluss gelten, Abgabensysteme sollen vereinfacht werden und Zollstellen werden minimiert.

Die Flussanrainer verpflichteten sich, das Flussbett zu unterhalten und Stapelrechte abzuschaffen. Zölle dürfen Handel nicht behindern. Ein gemeinschaftliches Regelwerk für den Verkehr wurde erstellt. Es gab jedoch keine Festlegungen zur Verbesserung der Schifffahrtsbedingungen auf der Elbe.

Mitte des 19. Jahrhunderts stieg das Verkehrsaufkommen und die Zahl der Schiffe die auf der Elbe unterwegs waren, stetig an. Gab es um 1820 beispielsweise etwa 20 Schiffseigner mit ebenso vielen Schiffen in Aken, waren es um 1844 bereits rund 75 Eigner mit knapp 90 Schiffen.

Erst ab Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte man durch verschiedene wasserbauliche Maßnahmen den Wasserstand besonders bei Niedrigwasser relativ konstant zu halten um dadurch die Fahrrinne für den Schiffsverkehr befahrbar zu machen. Die Umsetzung wurde durch zwei kurz aufeinander folgende Weltkriege immer wieder unterbrochen.

1962/64 gab es dann Untersuchungen über Teilumsetzungen einer Niedrigwasserregulierung. Die Gesamt-Baukosten für Umsetzung der NW-Regulierung würden 50 Millionen DDR-Mark betragen. Zu diesem Zeitpunkt bestand bereits eine Anhäufung erheblicher Unterhaltungsrückstände, geschuldet ständig knapper Kassen im DDR Haushalt.

Nach der Wende begann das große Ringen um die Elbe. Es begannen umfangreiche Unterhaltungsmaßnahmen an den Bauwerken in und an der Elbe und damit versuchte man, den Unterhaltungsrückstand aufzuholen. Das Ziel: 1,60 Meter Fahrrinnentiefe. Neben der Schifffahrt spielen viele verschiedene Interessen an der Elbe eine Rolle. Im Gesamtkonzept Elbe sollen diese Interessen, Stromregelung, Verkehr, Wasserwirtschaft und nicht zuletzt der Naturschutz unter einen Hut gebracht werden.

Und so endeten Kai Bandaus Ausführungen wie sie begonnen haben, nämlich mit der Frage: Die Elbe, der letzte natürliche Fluss in Deutschland oder eine vom Menschen gebändigte Wasserstraße? Die Antwort liegt wohl irgendwo dazwischen.

Dazu zitiert Baude Dr. Ernst Paul Dörfler, deutscher Autor und Umweltschützer, der einmal sagte: „In unserer heutigen Kulturlandschaft wäre es undenkbar, Fließgewässern, insbesondere größeren Strömen, freien Lauf zu lassen. Siedlungen, Bauwerke von historischem Wert, aber auch technische Anlagen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen stünden auf dem Spiel. Wasser darf nicht wieder zu einer Bedrohung für den Menschen werden. (…) Die Ingenieurökologie ist heute schon nicht mehr weg zudenken. Eines der vielen praktischen Anwendungsgebiete ist der moderne Wasserbau.“

Zwar wurde bei der Elbregulierung im 19. / 20. Jahrhundert brachial in die Natur eingegriffen, aber die Natur hat es verkraftet und sich an den regulierten Zustand angepasst. Moderner Wasserbau verbindet Naturraum und Wasserstraße. „Die Elbe ist ein Verkehrsweg in und mit der Natur“, so Kai Bandau zum Abschluss seiner Ausführungen.