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Feuerwehr Einsatzkräfte fehlen in Zerbst

Immer weniger Mitglieder stehen tagsüber für einen Einsatz zur Verfügung und der Nachwuchs fehlt, berichtet Stadtwehrleiter Denis Barycza.

Von Daniela Apel 10.06.2017, 01:01

Zerbst l Die Situation in den Ortsfeuerwehren der Einheitsgemeinde Zerbst ist angespannt. Es fehlt an Einsatzkräften und die Gewinnung neuer Kameraden erweist sich als schwierig – von Ausnahmen abgesehen. Über die Problematik im ehrenamtlichen Brandschutz berichtet der Zerbster Stadtwehrleiter Denis Barycza.

Der Ortsfeuerwehr Schora droht die Schließung, in Gehrden wird händeringend nach Kameraden gesucht – wie brenzlig ist die Personalsituation innerhalb der Ortsfeuerwehren der Stadt Zerbst?

Denis Barycza: Die Situation ist in einigen Teilen des Stadtgebietes sehr angespannt. Wir benötigen in allen 25 Ortsfeuerwehren der Einheitsgemeinde Zerbst weitere Kameraden.

Die Statistik ist das eine – wie oft erfolgt eine Überprüfung, wie viele Kameraden tatsächlich die geforderten 40 Stunden Ausbildung im Jahr absolvieren und für Einsätze bereitstehen?

Alle Ortsfeuerwehren müssen zum Jahresende ihre Mitgliederstatistik der Verwaltung melden, die wiederum die Statistik weiter zum Landkreis leitet und der Kreis sendet die Statistik weiter zum Landesverwaltungsamt. Laut der Feuerwehrdienstvorschrift 2 soll jeder Kamerad im Jahr an mindestens 40 Unterrichtsstunden Fortbildung am Standort, das heißt der eigenen Feuerwehr, teilnehmen. Ab diesem Jahr führt die Stadt eine anlassbezogene Pauschale ein. Das bedeutet, dass die bisherigen 2 Euro pro Dienst wegfallen und der Kamerad bei Erreichen der 40-Stunden-Fortbildung eine Pauschale von 50 Euro erhält. Mit dieser Pauschale soll ein Anreiz geschaffen werden, die jährlichen Fortbildungsstunden zu absolvieren.

Auch in Bias ist die Situation kritisch, es fehlt an Kameraden, der bisherige Ortswehrleiter will dem Vernehmen nach von der Funktion zurücktreten – wie wird hier reagiert?

Die Ortsfeuerwehr Bias verfügt momentan noch über acht Einsatzkräfte und ist damit im kritischen Bereich. Sollte sich die Situation in der Ortswehr Bias nicht verbessern, erwägt der Ortswehrleiter, von seiner Funktion zurückzutreten. Momentan laufen Vorbereitungen für Einwohnerversammlungen in Bias und in Steckby. Denn auch in Steckby gibt es derzeit nur noch fünf aktive Kameraden.

Wie viele Ortsfeuerwehren sind tatsächlich derzeit einsatzbereit und verfügen über ausreichend aktive Kameraden und Führungskräfte?

Alarmiert werden grundsätzlich alle Ortsfeuerwehren bei allen Ereignissen in ihrem Zuständigkeitsbereich. Zur tatsächlichen Einsatzbereitschaft muss man die Tageseinsatzbereitschaft dazu zählen und dann bleiben zumindest statistisch leider nur acht Ortsfeuerwehren über. Allerdings ist eine komplette Besetzung aller Funktionen nicht hundertprozentig gesichert. Es kommt immer auf die Verfügbarkeit der Kameraden an. Durch Schichtarbeit, Montage oder Urlaub sind nicht immer alle einsatzbereit.

Wie schätzen Sie die Entwicklung ein? Wird es womöglich darauf hinauslaufen, dass es zukünftig nur noch einsatzbereite Stützpunktwehren in der Kernstadt Zerbst und womöglich zwei, drei weitere in den Bereichen Vorfläming und Zerbster Land gibt?

Die Entwicklung der Mitgliederzahlen in den vegangen Jahren ist in der Fläche, bis auf wenige Ausnahmen, rückläufig und das muss man sehr ernst nehmen. Es kommt zunehmend auch in den so genannten Stützpunktfeuerwehren in der tageskritischen Zeit zu Personalproblemen. Besonders fehlen einsatzbereite Atemschutzgeräteträger und zum Teil Maschinisten und Führungskräfte. Wir werden ohne Alarmierungen von mehreren Ortsfeuerwehren vielleicht sogar von mehreren Stützpunktfeuerwehren zukünftig nicht auskommen. Wenn sich die Situation weiter verschlechtert, bleibt nur noch die Option, Feuerwehren zusammenzulegen oder im schlimmsten Fall sogar zu schließen. Die übrigen Ortsfeuerwehren werden dadurch immer weiter belastet, und eine Einhaltung der Hilfsfrist von zwölf Minuten wird immer schwieriger.

Was glauben Sie, woran liegt die derzeitige Negativ-Entwicklung bei den Freiwilligen Feuerwehren?

Meiner Meinung nach hat das mehrere Ursachen. Zum einen hat sich die Gesellschaft und die Einstellung der Bevölkerung ein Stück weit verändert. Sich im Ehrenamt uneigennützig zu engagieren, wird in der heutigen Zeit nicht mehr so anerkannt wie früher. Weitere Ursachen sind unter anderem, dass Mitglieder der Jugendfeuerwehren zu Ausbildung oder Studium in größere Ballungsgebiete ziehen und damit gerade in den kleineren Orten der Nachwuchs fehlt. Das Pendeln zur Arbeit ist ein Grund, warum die Menschen Job, Familie und Ehrenamt nicht mehr miteinander vereinbaren können. Weitere Punkte sind, dass die anspruchsvolle und lange Ausbildung sowie die vielfältigen Aufgaben die Menschen abschrecken.

Wie kann dem Negativ-Trend entgegengewirkt werden?

Das Ehrenamt Feuerwehr muss wieder attraktiver werden. Wir brauchen mehr organisierte Öffentlichkeits- und Jugendarbeit, schon von der Kita an, dann über die Grund- und weiterführenden Schulen. Die Ausbildung von Quereinsteigern muss erleichtert und an die heutige digitalisierte Welt angepasst werden. Wir brauchen dringend Feuerwehrleute in der öffentlichen Verwaltung und im Bauhof, um zukünftig eine Einsatzbereitschaft tagsüber abzusichern.

Spielt es eine Rolle, dass die Kameraden längst nicht mehr nur Dienste absolvieren, Lehrgänge besuchen sowie zu Bränden und Unfällen ausrücken, sondern ebenfalls das gesellschaftliche Leben in den Orten mitgestalten – die Organisation von Veranstaltungen wie Maibaumsetzen oder Osterfeuer nimmt viele Freizeit in Anspruch? Sollte dies vielleicht wieder stärker getrennt werden?

Gerade die Feuerwehren in den Ortsteilen haben über viele Jahrzehnte das dörflichen Leben mitgestaltet, geprägt und sind sehr oft organisatorisch mit in Dorffeste, Maibaumstellen oder Osterfeuer eingebunden. Das machen die Kameraden auch sehr gern für ihren Heimatort. Für kleinere und personalschwache Ortsfeuerwehren ist das eine weitere Belastung. Aber eine strikte Trennung ist da schon sehr schwierig, da meist kein anderer Verein im Ort ist, um diese Lücke zu füllen. Einige, meist die größeren Feuerwehren, haben inzwischen Fördervereine gegründet, um eine breite Masse der Bevölkerung anzusprechen, die nicht Mitglied der Feuerwehr werden möchten oder können, sich aber trotzdem für die eigene Feuerwehr oder den Wohnort engagieren möchten. Damit wird eine Unterstützung für die Ortschaft etwas leichter. Das funktioniert leider nicht in Feuerwehren, die wegen akuter Personalprobleme um ihr Überleben kämpfen. Stirbt die Feuerwehr, dann stirbt auch ein großer Teil des gemeinschaftlichen Lebens in den Orten.

Mit der Ortsfeuerwehr Leps gibt es allerdings auch ein positives Beispiel entgegen dem Trend.

In Leps ist es gelungen, durch die Einwohnerversammlung und den Schnupperdienst der Ortsfeuerwehr, fünf neue Mitglieder in die Feuerwehr aufzunehmen. Das ist eine 50-prozentige Steigerung auf jetzt zehn Mitglieder. Das ist schon ein toller Erfolg und sollte Ansporn für weitere Werbung und Mitgliedergewinnungsaktionen in der Ortschaft sein. Als nächster Schritt muss jetzt die Ausbildung der neuen Kameraden organisiert und durchgeführt werden.