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Feuerwehr Zerbst Es fehlt an Einsatzkräften

Die Ortswehren der Stadt Zerbst benötigen dringend weitere Mitglieder. Auch die Nachwuchsarbeit gehört zu den aktuellen Herausforderungen.

Von Daniela Apel 06.03.2017, 05:00

Jütrichau l „Innerhalb von vier Jahren haben wir 100 Mitglieder verloren.“ Besorgt blickt Stadtwehrleiter Denis Barycza auf die Personalstruktur in den 26 Ortsfeuerwehren der Einheitsgemeinde Zerbst. Die Anzahl der Einsatzkräfte stagnierte zwar 2016 im Vergleich zum Vorjahr bei 517. Dennoch bleibt es ein Fakt, dass „uns 134 Kameraden fehlen“, bezieht er sich auf die Soll-Stärke. Die Tagesbereitschaft abzusichern, falle so immer schwerer und werde irgendwann nicht mehr möglich sein, mahnt er.

Das Problem spiegelt sich ebenfalls in den vorgesehenen Änderungen des Brandschutzgesetzes wider, mit dem Altersgrenze für den aktiven Dienst von 65 auf 67 Jahre angehoben werden soll. Daneben sollen Kommunen ehrenamtliche Feuerwehrleute bei gleicher Eignung bevorzugt einstellen können. Barycza appelliert für dieses Ansinnen. Vorschlag. Momentan seien nur drei Kameraden in der Stadtverwaltung und dem Zerbster Bauhof beschäftigt.

Weiterhin angespannt präsentiert sich die Lage bei den Atemschutzgeräteträgern, die als erste in ein brennendes Gebäude vordringen. Nur 81 waren im Dezember einsatzbereit, tagsüber verfügbar sogar nur 41, wobei manche im Ernstfall beispielsweise als Maschinist fungieren und vor Ort dann ebenfalls in der lebenswichtigen Funktion fehlen.

„Die Zahlen sind alarmierend“, macht Barycza auf der Jahreshauptversammlung des Stadtverbandes am Freitagabend in der Raststätte Jütrichau deutlich. Um den Zustand zu verbessern werden die notwendigen ärztlichen Untersuchungen und Termine für die Absolvierung der Brandübungsstrecke durch die Verwaltung organisiert. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, um Kameraden als Atemschutzgeräteträger zu gewinnen.

Grundsätzlich bleibt das Anwerben neuer Mitglieder oberstes Ziel. Wie schwer dies ist, erlebte Denis Barycza bei den Einwohnerversammlungen in Gehrden und Leps. In beiden Dörfen ist der Erhalt der Ortswehr bedroht. „Ich fand sehr traurig, wie die Diskussion verlief“, berichtet er von einer Auflistung von Gründen, die gegen ein Engagement bei den Blauröcken sprachen. Zumindest zwei der 20 Teilnehmer in Gehrden erklärten ihren Beitritt zur Feuerwehr. „Das reicht bei Weitem nicht aus und löst das Problem nicht, ist aber ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Barycza. In Leps bleibt abzuwarten, wer am 24. März beim Schnupperdienst vorbeischaut. „Dieses Jahr ist noch Schora dran“, bemerkt der Stadtwehrleiter.

Sorgen bereitet ihm ebenfalls der rückläufige Entwicklungstrend bei den Kinder- und Jugendfeuerwehren. „Wir müssen in die Kitas und Grundschulen.“

Als erfreulich bezeichnet Barycza den freiwilligen Zusammenschluss der Ortsfeuerwehren Deetz und Straguth/Badewitz, die selbst nicht bestandsgefährdet sind. Grund ist vielmehr, Einsatzstärke, Ausbildung und Ausstattung zu optimieren. Apropos. „Die Deetzer haben heute ihr neues HLF 20 abgeholt“, verrät Denis Barycza. Rund 290.000 Euro kostet das Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug (HLF), das komplett aus Eigenmitteln der Stadt finanziert wurde. Nach Aussagen von Sachsen-Anhalts Innenministers darf Zerbst in naher Zukunft „seit vielen Jahren“ wieder mit Fördermitteln für ein Feuerwehrgroßfahrzeug rechnen, wie Bürgermeister Andreas Dittmann berichtet.

Zugleich unterbreitet er einen Lösungsvorschlag für die reparaturanfälligen Mannschaftstransporter, die zwischen 15 und 27 Jahren auf den Felgen haben, aber dringend für die Nachwuchsarbeit benötigt werden. Über Leasing sollen fünf MTF bereitgestellt werden. „Das ist Teil der Haushaltsanmeldung“, erzählt Dittmann von der bevorstehenden Beratung des Etats, der immerhin ein Minus von 1,4 Millionen Euro aufweist. „Wenn wir das hinbekommen, können wir die überalterte Technik ersetzen.“ Für ihn sind Investitionen in den Brandschutz eine bewusste Entscheidung.

Dittmann geht ebenfalls auf die überarbeitete Feuerwehrsatzung ein, die derzeit die Ortschaftsräte durchläuft. Diese enthält höhere Ehrenamtspauschalen als bislang, um die Übernahme einer Führungsposition zu honorieren. Bereits jetzt dürfen alle Kameraden die Schwimmhalle und das Freibad kostenlos nutzen. Andere Kommunen fangen erst an, über solche Vergünstigungen nachzudenken.

„Zerbst steht so schlecht mit seiner Feuerwehr nicht da“, konstatiert Landrat Uwe Schulze. „Wir waren eigentlich noch nie so gut ausgerüstet wie jetzt, aber nun gehen uns langsam die Kameraden aus.“ Vielleicht komme wieder jene Struktur, bei der hauptamtliche Löschgruppen die Tagesbereitschaft gewährleisten, überlegt er. „Es muss ein komplettes Umdenken vom Land erfolgen“, fordert der Vorsitzende des Feuerwehrverbandes Köthen-Zerbst/Anhalt Tobias Möhsner.

Zumal die Anforderungen an die Kameraden hoch sind. Neben regelmäßigen Diensten sind Aus- und Fortbildungen zu absolvieren. Außerdem sind die Frauen und Männer stets abrufbereit, um im Notfall auszurücken. 473 Einsätze verzeichnet die Statistik für 2016. Beinahe jeder zweite Einsatz – insgesamt 205 – stellte sich als Fehlalarm ausgelöst durch eine automatische Brandmeldeanlage heraus. „Das ist eine Belastung für die Kameraden und auch für die Anwohner und das zu unchristlichen Zeiten“, so Barycza.

Deutlich angestiegen seien die Alarmierungen durch Rauchmelder in Privatwohnungen. „Diese verhindern natürlich auch Brände, wenn beispielsweise der Topf auf dem angeschalteten Herd vergessen wurde.“ Beim zehnten oder 16. Alarm könnte es eben ein echter Einsatz sein. „Deshalb motiviert eure Kameraden rauszufahren“, wendet sich Barycza an die Anwesenden. Doch es gebe auch Hoffnung, so der Stadtwehrleiter. „Mit der neuen Leitstellentechnik sollen zukünftig die Alarmierungen der Ortsfeuerwehren reduziert werden.“ Ab 31. März soll die Software einsatzbereit sein.