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Flüchtlingspolitik in Zerbst Keine Ansteckungsgefahr

Nicht jeder Flüchtling, der in Anhalt-Bitterfeld ankommt, ist gesund. Gefahr für die Bevölkerung besteht nicht, sagt Amtsarzt Preden.

Von Sebastian Siebert 18.07.2015, 12:40

Zerbst l „Bundesweit ist es äußerst unzureichend gelöst“, erklärte der Anhalt-Bitterfelder Amtsarzt Norbert Preden den Mitgliedern des Kreissozialausschusses. Er meinte damit die umfassende ärztliche Untersuchung von Flüchtlingen. „Außer Bayern. Die machen was“, sagte er und schob hinterher: „Wer sich von der Bevölkerung normal verhält, für den besteht keine Gefahr.“

Dass irgendwelche Seuchen eingeschleppt werden, könne man ausschließen. „Es sei denn, man lässt sich auf Intimkontakte ein“, sagte der Arzt. Natürlich haben einige Hepatitis B und natürlich haben einige HIV, informierte er. „Das holt man sich nicht auf der Toilette, das holt man sich auch nicht in der Kneipe, sondern das holt man sich bei Intimkontakten“, machte Preden deutlich.

Tuberkulose werde ausgeschlossen. Das verlange das Infektionsschutzgesetz. Das sei jedoch Landessache. Die Ärzte bekommen die Röntgenfilme und alles müsse handschriftlich erfasst werden und alles werde wie früher in Kisten abgelegt, ließ er seinen Unmut durchklingen.

Durchaus habe es Fälle gegeben, um die sich die Ärzte äußerst intensiv kümmern mussten, berichtete Dr. Preden. Teilweise musste viel persönliches Engagement aufgebracht werden, um einen Patienten „soweit zu kriegen, dass er nicht mehr ansteckend ist“. Das verlange den Ärzten einiges ab, über die Arbeitszeit sei das nicht mehr zu deckeln gewesen, betonte er.

In Halberstadt, der ersten Station der Flüchtlinge, werden alle geröngt, erzählte er. „Außer Schwangere und Kinder unter 15 Jahren.“ Das wolle das Gesetz. „Kinder stecken nicht an, auch wenn sie Tuberkulose haben.“ Das sei ein empirischer Wert, der sich immer wieder bestätigt habe. Die weitere Untersuchung beinhalte nur recht einfach diagnostische Mittel, wie beispielsweise die Inaugenscheinnahme der Haut und Tastkontrollen. „Mehr ist nicht drin.“ Blutentnahmen werden nur in extrem seltenen Fällen vorgenommen, fügte er an. Gesucht werde nach Hepatitis B, seltener nach HIV. Das sei auch Thema während des letzten Bundeskongresses in Rostock gewesen.

Äußerst intensiv sei dort diskutiert worden, wie die Hauptschlagrichtung, die favorisiert werde – nämlich konsequent zu impfen – umgesetzt werden könne. Doch das verstoße gegen das Deutsche Recht. Jeder hat laut Grundgesetz das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, was auch beinhaltet, dass ein Mensch die freie Wahl hat, ob er geimpft werden will oder nicht.

„Es kann nicht sein, dass die WHO (Weltgesundheitsorganisation), wenn sie ein Flüchtlingslager macht, am Einlass impft. Wer sich weigert, wird nicht eingelassen.“ Da werde weder gefragt noch aufgeklärt. „Die WHO impft. Wir alle impfen nicht.“ Man wolle, so berichtete Preden vom Kongress weiter, wenigstens mit Blick auf Masern und Windpocken, die in Gemeinschaftsunterkünften verheerend ablaufen können, Impfungen anbieten.

Kinderlähmung und Polio scheinen sich nicht zum Problem zu entwickeln, schätzte er die aktuelle Situation ein. Eher Masern, Windpocken und selten auch Krätze seien vorgekommen. „Das hängt auch mit den Schlafgewohnheiten zusammen und damit, dass es nicht konsequent behandelt wird.“ Theoretisch bekomme man alles in den Griff, doch „es ist schwierig, schwierig, schwierig“, so der Amtsarzt.

Ausschussvorsitzende Dagmar Zoschke (Linke) wollte wissen, wie HIV-Infizierte, die davon wissen, Hilfe bekommen können. Sie habe von der Aidshilfe kürzlich erfahren, dass eine gute Abdeckung eigentlich nur in den urbanen Zentren Magdeburg, Dessau-Roßlau und Halle vorhanden sei, auch der Stendaler Raum habe noch eine Infrastruktur, doch im ländlichen Bereich sei das wohl sehr schlecht ausgebaut. Zudem trauen sich sicherlich viele nicht, sich jemanden anzuvertrauen.

„Über Aids brauchen wir mit den Flüchtlingen nicht zu reden“, beantwortete Preden die Frage. „Das ist ein Stigma.“ Auch das sei in Rostock thematisiert worden. „Wer Aids hat, ist raus“ und werde gemieden, erläuterte Preden. „Deshalb sagen sie es nicht.“ In Hamburg habe es ein Modell-Projekt gegeben, bei dem sich die Helfer über Hepatitis-B herangetastet hätten, sagte er. Das Konzept finde er ganz gut, sagte er.

HIV sei weder meldepflichtig, noch werde es bekämpft, erklärte der Amtsarzt. „Es stellt auch keine Gefahr dar. Es verbreitet sich nur über Intimkontakte, nicht mehr im Krankenhaus, beim Arzt und auch nicht bei Bluttransfusionen.“ Es gebe anonyme Bewertungen, erzählte der Arzt weiter. „Das spricht sich in den entsprechenden Kreisen herum sowie die Beratung über sexuelle Erkrankungen.“ Die Leute besuchen dann die Sprechstunden. Dort werden sie beraten und getestet.

Seien die Ergebnisse positiv, werde die Person nach Halle, Leipzig oder Magdeburg weiter vermittelt. Das habe Vorteile. „Da ist Arzt sein auch ein wenig Handwerk. Die Ärzte in den Zentren haben einfach mehr Erfahrung damit, weil sie viel mehr Fälle haben.“ Zudem biete die Großstadt Anonymität. Bislang habe die Zusammenarbeit immer gut geklappt. Die Kosten für die Tests werden vom Staat getragen. „Den Test anzubieten, ist eine Pflichtaufgabe für uns“, sagte Preden.