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gericht Haftstrafe für Hauptangeklagten

Das Zerbster Schöffengericht unter Vorsitz von Amtsgerichtsdirektor Andreas van Herck hat zwei junge Männer verurteilt.

Von Bernd Kaufholz 11.07.2017, 07:00

Zerbst l Letztlich war es kein Raub, wie der Dessauer Staatsanwalt Gunnar von Wolffersdorff am ersten Prozesstag vor zwei Wochen angeklagt hatte, sondern gefährliche Körperverletzung und Nötigung beziehungsweise Beihilfe, die für das Schöffengericht erwiesen waren. Dem Hauptangeklagten Matthias J. (35) wurde eine Haftstrafe von acht Monaten – zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt – dem 33 Jahre alten Maik L. eine Geldstrafe in Höhe von 2700 Euro ausgesprochen.

Trotz der unterschiedlichen Bewertung der Straftaten hatten die Richter keinen Zweifel daran, dass sich das Geschehen am 10. September 2016 so abgespielt hat, wie in der Anklageschrift vorgetragen.

An jenem Tag war ein 31 Jahre alter Ex-Zerbster mit seiner Freundin zu Besuch bei Mutter und künftiger Schwiegermutter gewesen. Als er zu Fuß zwischen der Zerbster Nuthebrücke und der Tankstelle unterwegs war, hatte er gesehen, wie seine „guten Kumpels“ in einem Auto angefahren kamen und anhielten. Obwohl eng befreundet, ergriff er sofort die Flucht. Bei seiner Zeugenaussage Ende Juni begründete er das damit, dass er dem Hauptangeklagten noch 250 Euro geschuldet habe.

Bis dahin deckten sich Anklage und Aussage des 31-Jährigen. Dann driften die Versionen auseinander. Ging der Staatsanwalt davon aus, dass J. den 31-Jährigen verfolgte, ihn mit einem Fausthieb niederstreckte, über die Wiese in ein Gebüsch zerrte, das Opfer dort weiter mit Schlägen und Tritten bearbeitete und ihm letztlich die Umhängetasche mit Handy, Schlüsselbund sowie 280 Euro wegnahm - als Krönung noch die teuren Marken-Turnschuhe von den Füßen zog, hatte der „Hauptbelastungszeuge“ am ersten Verhandlungstag seine polizeiliche Aussage völlig revidiert. Er habe beim Weglaufen Tasche und Schuhe verloren. Dann sei er gestolpert und habe sich die Verletzungen selbst zugezogen, die später vom Notarzt festgestellt worden waren.

Das sei so gut wie auszuschließen, stellte der eigens für den gestrigen Termin geladene Rechtsmediziner Dr. Norbert Beck fest. Er habe zwar nur die Farbfotos, die in der Notaufnahme angefertigt worden waren, zur Verfügung gehabt, aber die Schilderung des Opfers, er sei beim Weglaufen gestürzt, passe nicht zum Verletzungsbild. Das Hämatom im Gesicht habe „die typische Position eines Fausthiebs, ebenso die Form“. Ein Sturz komme eher nicht in Frage. „Wäre der 31-Jährige beim Laufen gestürzt, hätte es Hautabschürfungen gegeben. Das ist jedoch nicht der Fall.“. Die Verletzungen im Rippenbereich seien mit stumpfer Gewalteinwirkung zu erklären - Tritte oder Schläge.“ Ein Sturz sei „schwer nachvollziehbar“.

Sowohl die Mutter des 31 Jahre alten Opfers, als auch die Freundin wurden gestern als Zeugen gehört. Beide konnten nicht all zu viel zur Aufklärung des Geschehens, zu dem sich beide Angeklagten weder bei der Polizei noch beim Prozess geäußert hatten, beitragen.

Die 48-Jährige sagte, dass sie mit dem Sohn aufgrund ihrer psychischen Erkrankung nicht darüber gesprochen habe, was ihm passiert sei. „Er war aufgewühlt, durch den Wind, als er am 10. September mit dem Rettungswagen vorgefahren wurde und ich ihm noch ein paar Sachen zum Anziehen geben sollte.“ Sie habe dann eine Tablette genommen.

Die Freundin lavierte. Erst will sie das „Veilchen“ ihres Freundes nicht gesehen haben, dann doch. „Er hat mit mir überhaupt nicht darüber gesprochen. Und ich habe dann auch nicht mehr gefragt. Manche Dinge weiß man besser nicht.“ Allerdings räumte die 29-Jährige ein, dass sie es noch nie erlebt habe, dass ihr Freund seine Schuhe beim Laufen verloren habe, wie er ausgesagt hatte.

Der Vorsitzende Richter van Herck stützte sich auf das Gutachten des Rechtsmediziners. Das stütze die Schilderung des Opfers bei der Polizei. „Auch, wenn der 31-Jährige seine Anzeige später zurückziehen wollte, was aufgrund des Offizialdeliktes nicht möglich war.“

Um Raub habe es sich deshalb nicht gehandelt, weil es an der im betreffenden Paragrafen des Strafgesetzbuches „endgültigen Enteignung“ der gestohlenen Dinge gemangelt habe. Die Täter hatten sie noch am selben Tag zurück gegeben - einschließlich der 280 Euro.

Van Herck: „Es sieht alles nach einer Strafaktion aus. Wofür auch immer. Welche Rechnung da offen war, ist unklar.“ Die Wegnahme der Schuhe und die Tatsache, dass das Opfer barfuß durch die Stadt laufen musste, sei symbolhaft für eine Bestrafung.

Die Aussage des Opfers sei Lug und Trug gewesen. Der Staatsanwalt hatte bereits zuvor ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage angekündigt.