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Grabungen Mittelalterliche Stadt auf Pfosten

Archäologen haben in Zerbst Überreste mittelalterlicher Bebauung gefunden.

Von Katrin Wurm 25.07.2016, 07:00

Zerbst l Eine Zerbster Stadtkarte aus dem Jahr 1711 zeigt, dass das Gebiet am Breitestein, unweit der Stadtmauer und genau zwischen Wiekaus und Schalenturm, landwirtschaftlich geprägt ist. Dort befinden sich zu dieser Zeit Gärten. Dass dort allerdings zu früherer Zeit Häuser standen, fanden Archäologe Dr. Matthias Sopp und seine beiden Kollegen Martin Freudenreich und Holger Lauer heraus. Sie führen parallel zum Bau des geplanten Hospizes am Breitestein archäologische Untersuchungen durch, die interessante Ergebnisse erbracht haben.

„Wir tragen hier Schicht für Schicht ab und untersuchen die einzelnen Schichten. Schnell wurde klar, dass es hier einmal mehr als nur Gärten gegeben haben muss“, erklärt Sopp. Er und seine Kollegen haben Keramik gefunden, die die Experten ins 13. oder 14. Jahrhundert einordnen. Sopp zeigt ein Stück Keramik, welches er als Rand eines bauchigen Keramiktopfes einordnet. Doch die Grabungen bringen noch mehr zum Vorschein. „Wir sind auf verbrannte Erde und Lehm gestoßen. Und schließlich haben wir Holzpfosten gefunden“, berichtet der Grabungsleiter weiter und zeigt die freigelegten Holzpfosten. „Dass hier ist eine Bauflucht und eine Flucht zur Stadtmauer“, zeigt er die freigelegte Struktur der Bebauung am Breitestein. „Früher ging hier die Färberstraße lang“, zeigt er in Richtung des Kindergartens.

Alles deute also auf eine mittelalterliche Bebauung hin. Wie viele Häuser dort konkret gestanden haben könnten, wolle er vor Abschluss der Grabungsarbeiten nicht sagen. „Mindestens ein Haus, vielleicht auch drei. Wenn es nur ein Haus war, dann war es sehr groß für die damalige Zeit“, sagt der Experte. Das Besondere an der Bebauung sei die Bebauung an sich. „Durch den feuchten Boden, wir befinden uns hier unweit der Nuthe, war eine spezielle Bebauung auf Pfosten notwendig, um den Häusern genug Halt zu geben und damit der Boden der Häuser nicht feucht werden konnte“, erklärt Sopp. Denn auch er und seine Kollegen, sie haben sich mittlerweile etwa zwei Meter tief vorgearbeitet, stehen im Wasser und sind permanent damit beschäftigt, dieses für die Grabungen abzutragen.

Dr. Matthias Sopp vermutet, dass die Häuser auf Pfosten bei einem historisch belegten Großbrand 1503 zerstört und danach nie wieder aufgebaut wurden. „Einige der freigelegten Holzpfosten sind verkohlt. Auch verkohlte Lehmschichten und verbrannte Erde haben wir gefunden“, sagt der Grabungsleiter.

Und dann zeigt er noch ein kleines Stück, welches aber eine ganz große Bedeutung hat. Auf dem Gelände, tief unter der Erde, haben sie ein Teil einer Buchschließe gefunden. Buchschließen sind metallene Elemente des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bucheinbands, die dazu dienten, ihn vor dem Sperren und damit dem Eindringen von Staub und Licht zu schützen. Auch konnte damit ein Buch vor unberechtigter Einsichtnahme geschützt werden. Das kleine Metallelement ist mit einem floralen Muster verziert. „Und es trägt so etwas wie ein Familienwappen“, sagt Dr. Matthias Sopp und zeigt das nur wenige Zentimeter große mittelalterliche Schloss. „Beeindruckend. Denn damals war das Lesen sehr Wenigen vorbehalten“, erklärt er den Fund.