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Lesesommer Mobbing, Abzocke und Druckaufbau

In Zerbst ist gestern der Lesesommer XXL eröffnet worden. Es war der landesweite Auftakt zur Aktion.

Von Sebastian Siebert 21.06.2016, 07:00

Zerbst l „Seit Beginn der Aktion im Jahr 2010 haben sich die Teilnehmerzahlen fast verfünffacht. Doppelt so viele Bibliotheken sind inzwischen mit dabei. Das ist eine wirklich tolle Entwicklung und zeigt, dass das Lesen nicht, wie oftmals behauptet, aus der Mode gekommen ist“, erklärt Thomas Pleye, Präsident des Landesverwaltungsamtes gestern bei der offiziellen Eröffnung in Zerbst. In der Aula des Francisceums wurde gestern Vormittag der offizielle Startschuss der Aktion gegeben, bei der sich Schüler während der Sommerferien zwei Bücher aus der Bibliothek ausleihen sollen und wenn sie diese gelesen haben, sich das als besondere Leistung für die Schule anerkennen lassen können. „Vielleicht überraschen uns die kleinen Leseratten in diesem Jahr erneut mit einem Rekord“, hoffte Pleye.

„Wer liest, kann nicht verlieren“, übermittelte Evelyn Johannes, stellvertretende Bürgermeisterin, die Worte von Bürgermeister Andreas Dittmann (SPD).

„Und deswegen lässt Jogi Löw die Spieler auch jeden Abend 100 Seiten lesen“, griff der Autor Thomas Feibel den Satz augenzwinkernd auf. Er stellte sein Buch „Ich weiß alles über Dich“ vor. Darin geht es um Stalking und Cybermobbing. Doch bevor er das tat, erzählte er über seinen eigentlichen Beruf. Er testet unter anderem Videospiele und schreibt darüber.

„Die Spiele haben sich verändert. Es geht nicht mehr um Spaß“, zählte er den Schülern. „Es geht um Abzocke. Das bekannteste Spiel von allen ist `Clash of Clans‘.“ Alle Schüler kannten das. Man kann es kostenfrei beginnen, aber um weiter zu kommen, kann man sich Dinge käuflich erwerben. „Im Spielfluss ist man eher bereit, das Geld auch auszugeben.“ Da es besonders viele Jugendliche und Kinder spielen, haben die Spielemacher sich besondere Zahlmethoden ausgedacht.

Das ist nämlich über das Handy als auch über Prepaid-Karten wie von Itunes oder Paysafe möglich. Feibel: „Diese Karten wurden erfunden, um Leuten ohne Kreditkarte das bezahlen zu ermöglichen.“ Und was seien das für Leute? „Kinder“, fügte er an. Wie viel Geld setze „Clash of Clans“ wohl im Monat um, fragte er die Schüler. Die schätzten zwischen 500 000 Euro bis 20 Millionen Euro. „Es sind 5 Millionen Euro. Allerdings pro Tag.“ Das erstaunte die Schüler.

Zudem bauen die Spiele selbst Druck auf. Habe man eine Weile nicht gespielt, schickt das Spiel eine Nachricht auf das Handy, in der steht: „Du wirst angegriffen. Komm zurück, deine Krieger warten auf dich“ oder ähnliches. „Man stelle sich mal vor, der Fernseher käme ins Zimmer und verlangt, dass man ihn anstellt“, erklärt er den Schülern.

Kurz geht der Medienexperte auch auf das Cybermobbing ein. Sollte ein Bild gepostet werden, das einem nicht gefällt, so sei der erste Anlaufpunkt derjenige, der es gepostet hat. Sollte der sich weigern, das Bild zu löschen, sollte man seinen Eltern Bescheid geben. Diese könnten sich mit den Eltern des anderen in Verbindung setzen.

„Sollte das nichts bringen, hilft der Gang zur Polizei“, so Feibel. Aus seinen Recherchen weiß er allerdings, dass sich die Opfer dort oft nicht Ernst genommen fühlen.

„Es kommt immer drauf an, an welchen Beamten man gerät, hat mir selbst ein Polizist gesagt, der sich auf solche Dinge spezialisiert hat“, erklärt Feibel. Es helfe, die Eltern mitzunehmen.

Grundsätzlich kann man auch die Meldefunktion der Netzwerke benutzen. „Aber das ist so wie Hühnersuppe bei einer Erkältung. Es kann helfen, es kann aber auch nichts passieren.“ Die Funktionen seien nicht gut. „Man stelle sich vorstellen, dass man die Feuerwehr ruft und sie kommt vielleicht“, gibt er ein Beispiel. „Und dann ruft man andere an, damit die auch die Feuerwehr rufen, damit die Chancen vielleicht besser sind.“ Betrachte man das von so einer Seite aus, merke man schnell, dass dort noch etwas fehle.

Über viele dieser Dinge ist auch in seinem Buch zu lesen, dass er dann anlas.

Der Lesesommer hat damit auch in der Zerbster Bücherei schon begonnen. Seit gestern können Schüler der dritten bis zur achten Klasse dort am Lesesommer XXL 2016 teilnehmen.