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Lutherjahr in Zerbst Luthers Sprachstil wirkt bis heute

Ein Vortrag des Sprechwissenschaftlers Hans-Henning Schmidt fand am Dienstag in Zerbst statt. Gut 60 Besucher waren der Einladung gefolgt.

Von Thomas Kirchner 23.02.2017, 03:13

Zerbst l Hans-Henning Schmidt aus Halle rezitiert aus Luthers Schriften, Tischreden, Predigten und Briefen. Im Vordergrund steht an diesem Abend die Wortgewalt und die Redegewandtheit des Reformators. Luther habe es wie kaum ein anderer seiner Zeit verstanden, sich in seinen Reden und Schriften rhetorisch auf die jeweiligen Zuhörer und Leser einzustellen, erfahren die rund 60 Besucher in der Zerbster Sparkasse. „So gelingt es ihm, seine Botschaften auch und gerade unter das einfache Volk zu bringen, wo sie sich dank der neuen Erfindung des Buchdruckes in Windeseile verbreiten“, erklärt Schmidt. „Er bedient sich der Sprache des Volkes, einfach und ausdrucksvoll“, fügt der Rhetoriker und Redenschreiber an, der an der Martin-Luther-Universität Sprechwissenschaft, Sprecherziehung und Germanistik studierte.

Luther habe „dem Volk aufs Maul geschaut“ und verwende daher eine kräftige, bilderreiche, volkstümliche und allgemein verständliche Ausdrucksweise. Sie wirke bis zur Gegenwart stil- und sprachbildend. So habe der Reformator Ausdrücke wie Feuertaufe, Bluthund, Selbstverleugnung, Machtwort, Schandfleck, Lückenbüßer, Gewissensbisse, Lästermaul oder Lockvogel erfunden.

„Wir können das auch in der heutigen Zeit erleben und hören. Gute Redner und Rhetoriker schaffen es, dass der Inhalt ihrer Rede in eine kurze, prägnante und mediengerechte Botschaft gekürzt werden kann“, zieht Hans-Henning Schmidt Parallelen zu Luthers Zeiten. „Auch hier ist die allgemeine Verständlichkeit von großer Bedeutung.“ Ein Beispiel dafür könne die sogenannte „Ruck-Rede“ des kürzlich verstorbenen Bundespräsidenten Roman Herzog sein.

Aber auch bei der Obrigkeit wusste Luther sich auszudrücken und seine Rhetorik geschickt anzuwenden, erfahren die interessiert zuhörenden Gäste. So habe Luther im April 1521 vor dem Reichstag in Worms, die versammelten Fürsten und Reichsstände in Erstaunen versetzt. Letztmalig zum Widerruf aufgefordert entgegnete er nach Bedenkzeit und dem Wissen, dass dies seinen Tod sein kann: „Da mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich und unmöglich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ Die oft zitierte Version „Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen“, ist jedoch nicht belegt.

Dass Luther durchaus auch bissig formulieren kann, veranschaulicht Hans-Henning Schmidt mit einem speziellen „Vater unser“ in dem durchaus auch Hohn und Spott zu hören sind. Nicht selten suchte der Reformator in der Nachbearbeitung seine Schriften und Reden stunden-, ja tagelang nach geeigneten Formulierungen. Nicht selten sei es dabei um nur ein Wort gegangen, welches passen musste, um bestimmte Dinge zu beschreiben.

Luther habe ganz unterschiedliche Redegattungen beherrscht. „Neben der Predigt auch die Vorlesung, die Verteidigungsrede und die derbe Polemik, aber auch die geistvolle Tischrede“, erzählt der Vortragende. In vielen seiner Reden wollte er seine Zuhörer nicht nur unterrichten und zu neuem Denken und Handeln bewegen, sondern auch unterhalten.

Und das tat auch Hans-Henning Schmidt an diesem Abend. Vor mehr als zehn Jahren entwickelte er das Format Literatainment, eine Mischung aus Lesung, Darstellung, Moderation und zuweilen auch Gesang. Sein Ziel ist es, den Zuhörern literarische Themen niveauvoll aber auch unterhaltsam näher zu bringen. Schmidt ist mit diesem Ansinnen bereits seit einigen Jahren unterwegs. Lesungen dieser Art veranstaltete er beispielsweise in Schwerin, Halberstadt und Halle. „Ich habe festgestellt, dass die Bibliotheken gute Ansprechpartner für derartige Veranstaltungen sind“, sagt Hans-Henning Schmidt.

„Übrigens ist das die Premiere des Luther-Programms hier in Zerbst. Ich stehe zum ersten Mal mit diesem Titel vor Publikum“, erzählt Hans-Henning Schmidt kurz vor Beginn der Veranstaltung. Natürlich ist das Thema angelehnt an das Reformationsjubiläum in diesem Jahr.