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Pferdemarktlotterie Von der Kutsche bis zum Traumauto

Zum nunmehr 115. Mal wird die Zerbster Pferdemarktlotterie in diesem Jahr ausgetragen.

Von Daniela Apel 27.07.2016, 01:01

Zerbst l Es gibt wohl kaum einen Zerbster, der nicht schon einmal sein Losglück bei der Pferdemarktlotterie versucht hat. Denn von Beginn an verstecken sich tolle Preise unter den ausgeschütteten Losen. Zu verdanken ist die beliebte Tradition dem Kommissionsrat Hermann Zeidler. Er gilt als Schöpfer der Lotterie, die erstmals im August 1878 veranstaltet wurde. 24 000 Lose zum Stückpreis von 2 Mark wurden bei der Premiere unter die Leute gebracht. Beim Hauptgewinn handelte es sich um eine Kutsche in Form eines Landauers mit zwei edlen Pferden. Zum Mitmachen motivierte allerdings auch der zweite, nicht weniger hochwertige Preis: ein Einspänner samt Pferd mit elegantem Geschirr.

Über die Jahrzehnte wandelte sich die Art der Gewinne, die jedoch immer eines blieben: äußerst attraktiv. 1947 winkte bei der ersten Nachkriegslotterie ein Ackerwagen, 1959 zwei Trabis in Luxusausführung und 1971 sogar ein Saporoshez. Bei der jetzigen 115. Jubiläumsauflage wartet ein Ford Fiesta auf einen neuen Besitzer – daneben verbergen sich weitere 699 Sach- und Geldpreise unter den 35 000 Losen, die in diesem Jahr ausgereicht werden. Stolze 3000 Sachpreise und eine Prämie im Gesamtwert von 65 000 DDR-Mark wurden 1960 verlost. Von der Nähmaschine übers Wohnzimmer und Moped bis zum Radiogerät reichte das Spektrum. Die Anzahl der Lose variierte. 1885 waren es schon 30 000, 1930 bereits 70 000, bevor die Stückzahl nach 1945 auf 20 000 sank.

Überhaupt sorgten die beiden Weltkriege für Einschnitte. So wurde zwischen 1914 und 1925 aufgrund der Auswirkungen des Ersten Weltkrieges keine Lotterie ausgerichtet. Unmittelbar vor der 34. Ziehung am 21. August 1914 mussten die Zerbster zusehen, wie die zur Verlosung bestimmten Pferde für die Kavallerie beschlagnahmt wurden. Bemühungen des Kreisdirektors Dr. Friedrich Türcke zur Wiederdurchführung der Pferdemarktlotterie während der Inflationszeit blieben erfolglos.

Seit 1953 findet die Lotterie parallel zum Heimatfest statt. Denn ursprünglich bildete sie eine Einheit mit dem „Augustmarkt“, bei dem sie den Verkauf der Tiere ankurbeln sollte.

Die Organisation der Pferdemarktlotterie übernahm anfangs der Landwirtschaftliche Verein Zerbst gemeinsam mit dem Gewerbeverein der Stadt, der sich jedoch schon 1885 von der Teilnahme zurückzog. Befand sich die Ausrichtung zu DDR-Zeiten in städtischer Hand, verlangte die politische Wende einen neuen Veranstalter. Letztmals erteilte das Land Sachsen-Anhalt 1991 eine Ausnahmegenehmigung für die Ausrichtung der Lotterie unter Regie der Stadtverwaltung – eine Möglichkeit, die sich mit dem beschlossenen Lotteriegesetz nicht mehr bot. Gewerbeamtsleiter Helmut Hehne sprach sich damals für einen Fortbestand der geschichtsträchtigen Verlosung aus.

Seinem Aufruf, dass sich diesbezüglich die lokalen Vereine engagieren, wurde erhört. Seit 1992 hat der Zerbster Verkehrsverein die Verantwortung für die Pferdemarktlotterie übernommen. Während 2010 noch 33 333 Lose verkauft und 666 Gewinne ausgespielt wurden, erhöhte sich 2015 die Zahl der Lose auf 35 000 und die der Preise auf 700. Die Gewinnchance von 1 zu 50 veränderte sich damit nicht.

Inzwischen ist der Losverkauf längst wieder gestartet. An 64 Verkaufsstellen in Zerbst und Umgebung können die grünen Lotterielose erworben werden. Auch die bekannte Verkaufsstelle vor der Sparkase ist erneut besetzt. Die meisten erinnern sich sicherlich noch an Hans Friebel, der dort über viele Jahre das Gesicht der Pferdemarktlotterie war. Mittlerweile führt seine Tochter Sabine Pfeifer zusammen mit ihrem Mann Karl-Heinz die Familientradition weiter. Dafür verzichtet sie sogar auf Urlaub. Die beiden nehmen selbstverständlich ebenfalls Lose. Vor einigen Jahren haben sie mal ein Fahrrad gewonnen.

Also gönnen Sie sich ein Los bei der 115. Pferdemarktlotterie. Es kann sich lohnen. Und selbst, wenn Sie nichts gewinnen, unterstützen Sie mit einem Loskauf die Durchführung der Zerbster Stadtfeste.

Die Geschichte der Pferdemarktlotterie kann unter www.alt-zerbst.de im Internet nachgelesen werden.