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Projekt Lachse warten auf Aufstiegsrinne

Rund sieben Millionen Euro kostet die Fischtreppe am Muldewehr in Dessau.

Von Thomas Kirchner 28.09.2016, 08:00

Dessau l Nicht nur einmal haben sich die Komiker Ingo Appelt und Mario Barth im Fernsehen über die Fischtreppe am Muldewehr ausgelassen. Pure Steuerverschwendung, diagnostizierten sie in der Sendung „Mario Barth deckt auf!“. Frank Torger, Flussbereichsingenieur beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW), hat dazu eine völlig andere Meinung. „Würden wir diese Fischtreppe am Dessauer Wehr nicht bauen, dann betreiben wir Steuerverschwendung, alle anderen Fischtreppen wären dann nutzlos und umsonst“, widerspricht der Fachmann.

Gut 150 Interessierte haben sich am Sonnabend an der Baustelle eingefunden, um sich vom Fortschritt des Projektes ein Bild zu machen. Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe „Gewässerökologie und Wanderfische“ hat die Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe gemeinsam mit dem LHW zu einer Führung eingeladen, um den Teilnehmern die Anlage zu erläutern.

Die Fischtreppe ist im Grunde keine Treppe im herkömmlichen Sinn. Im Straßenverkehr würde es Umgehungsstraße heißen. Am Muldewehr ist das ähnlich. Gebaut wird eine rund 250 Meter lange Rinne, ein künstlicher Nebenfluss, der wenige Meter vor dem Wehr abzweigt und einige Meter hinter dem Wehr wieder in die Mulde mündet. So wird der Höhenunterschied von zwei Metern langsam und stetig überwunden. Vereinfacht gesagt, handelt es sich um einen Umgehungsfluss für Lachse und Störe, damit diese ungehindert in ihre Laichgebiete an der oberen Mulde gelangen können.

Die Rinne ist mit riesigen Granitsteinen bestückt. Jeder einzelne Stein wurde mit einem Bagger im künstlichen Flussbett platziert. 17 000 Tonnen Gestein sind es insgesamt, die dort eine neue Bestimmung finden. Die Blöcke, die gegenüber den anderen herausragen, zeigen, wo ein etwas höher liegender Bauabschnitt beginnt.

Ob sich denn der Aufwand lohne, möchte ein Besucher wissen. „An der Elbe bei Zerbst kontrolliert der Anglerverein die Anzahl der Lachse, die von der Nordsee die Elbe hochwandern. Es ist keine Masse, aber es gibt einen Rücklauf“, berichtet Torger. „Im vorigen Jahr haben Zerbster Angler einen 90 Zentimeter Lachs aus der Nuthe gefischt. Er wog rund fünf Kilo“, erzählt der Flussbereichsingenieur. Dieser Umstand zeige, dass die im Rahmen des Wiederansiedlungsprogrammes ausgesetzten Lachse in ihre Heimat zurückkehren wollen.

Begonnen hatte alles 1997 mit der Idee einer Fischtreppe an der Mulde. Ganz neu war der Gedanke allerdings nicht. Frank Torger erinnert daran, dass schon zu DDR-Zeiten eine Fischtreppe angedacht war. Der zuständige Minister sei aber der Meinung gewesen, dass es in der Mulde ja keine Fische gebe: „Wozu wollt ihr denn eine Treppe?“, stellte er das Projekt in Frage. Und so ganz Unrecht hatte er damit nicht, war die Mulde damals derart verschmutzt, dass kaum Leben in diesem Fluss steckte. Nach der Wende hat sich die Mulde erstaunlicherweise schnell erholt. Heute sind hier wieder der Gründling, Döbel, Aland sowie weitere 20 Fischarten heimisch.

In diesem Jahr werden die Lachse noch am Dessauer Mulde Wehr scheitern. Wenn alles gut läuft, soll sich das 2017 ändern. Dann können Lachs und später auch der Stör, der einst in der Mulde beheimatet war und jetzt wieder angesiedelt wird, wie geplant das Wehr ungehindert passieren.