1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Unwetter hinterlässt Spur der Verwüstung

Schadensbilanz Unwetter hinterlässt Spur der Verwüstung

Kurz, aber heftig zog am Donnerstagnachmittag das Unwetter über die Zerbster Region. Dächer wurden abgedeckt und Züge blieben stehen.

Von Daniela Apel 24.06.2017, 06:00

Zerbst/Töppel/Garitz l Fassungslos steht Tobias Radeck vor seinem Haus. Er blickt hinauf auf das durchlöcherte Dach. Die großflächig fehlenden Ziegel liegen auf der Straße. Der junge Familienvater kämpft mit den Tränen. „Wir haben oben gerade erst fertig ausgebaut“, versucht er am Donnerstagnachmittag zu begreifen, was gerade geschehen ist.

„Wie aus heiterem Himmel hat es geknallt und geknackt. Mein Herz ist fast stehengeblieben“, erzählt Peter Starke, der nur wenige Meter weiter wohnt. „So etwas hab‘ ich noch nicht erlebt“, erzählt er von dem Tornado, der durch Töppel gefegt ist. „Das ganze Haus hat gebebt“, bemerkt seine Frau Karin.

Das heftige Unwetter hinterlässt eine Spur der Verwüstung in der Einheitsgemeinde Zerbst. Zahlreiche Anrufe gehen bei der Rettungsleitstelle des Landkreises Anhalt-Bitterfeld ein. „Der Notruf war völlig überlastet“, schildert Thomas Wenzel, Ortsbürgermeister der Ortschaft Moritz, wie er lange Zeit nicht durchkam, bevor er schließlich sogar im Salzlandkreis landete.

„Zwischen 16 und 20 Uhr waren die Mitarbeiter der Leitstelle stark gefordert“, berichtet Kreissprecher Udo Pawelczyk gestern. „Dabei ging es insbesondere um umgestürzte Bäume, herabgefallene Äste, Schäden an Dächern und Carports“, informiert er. Personenschäden seien nicht bekannt – glücklicherweise wird anscheinend niemand verletzt. Zwar kommt ein 61-Jähriger auf der Fahrt Richtung Strinum mit seinem Seat von der Fahrbahn ab, als er kurz vor seinem Auto einen Ast auf die Straße stürzen sieht – doch auch hier entsteht nur Sachschaden.

Neben Aken und dem Osternienburger Land ist die Region Zerbst innerhalb des Landkreises besonders stark betroffen. Die Kameraden der einzelnen Ortsfeuerwehren befinden sich teilweise bis tief in die Nacht im Dauereinsatz, wie Stadtwehrleiter Denis Barycza erzählt. Als schwierig gestaltet sich zunächst aufgrund des Ausfalls von Handy- und Festnetzen sowie nicht funktionierender Funkverbindungen, alle Einsatzkräfte auf einen gemeinsamen Funkkanal zu bringen und sich einen ersten Überblick von der Lage zu verschaffen.

Vor allem im Vorfläming sind zahlreiche Bäume umgestürzt wie beispielsweise auf dem Garitzer Sportplatz, wo der Sturm die Birken reihenweise umstieß – ein Bild, das sich in der gesamten Einheitsgemeinde in unterschiedlichem Ausmaß findet und für versperrte Straßen und Zufahrten sowie Schäden an Autos und Gebäuden sorgt. So bringen die kräftigen Böen auf dem Zerbster Heidetorfriedhof mindestens 20 Bäume zu Fall. Zwischen Nutha-Siedlung und Walternienburg verfangen sie sich in den Überlandleitungen. Der Dorfplatz von Trüben ist übersät von heruntergefallenem Geäst. Riesige Pappeln entlang der landwirtschaftlichen Wege liegen um. Einige Pferde von der Silent Corner Ranch müssen wieder eingefangen werden.

In vielen Orten des Zerbster Umlandes fällt der Strom aus. So findet die Abschlussveranstaltung an der Walternienburger Grundschule am Donnerstag ohne Strom statt – mit Tänzen ohne Musik. Die Buchlesung in Güterglück wird während des Unwetters im Kerzenschein durchgeführt. Ursache sind zerrissene Leitungen und Mastumbrüche. „Dieser Bereich war durch das Unwetter mit am stärksten betroffen“, zieht Corinna Hinkel, Pressesprecherin des Energieversorgers E.on/Avacon, gestern ein Fazit. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Versorgung überall wieder herzustellen“, verspricht sie, bittet aber zugleich um Verständnis: „Manche Störungsstellen sind wegen des Windbruchs schwer zugänglich.“

Auch auf den Bahnverkehr wirkt sich das verheerende Gewitter aus. Auf dem Zerbster Bahnübergang in der Kastanienallee bleibt ein Güterzug stehen und es ist nicht der einzige, der stundenlang nicht mehr weiterfährt. Auf der Strecke zwischen Güterglück und Dessau fällt der Zugverkehr komplett aus, heute sollte alles wieder reibungslos rollen.

Unterdessen wird die Aufnahme und Beseitigung aller Schäden noch eine Weile andauern. Zumindest die Straßen in der Einheitsgemeinde Zerbst – bis auf die bereits erwähnte Verbindung Nutha-Siedlung/ Walternienburg – sind inzwischen dank des Einsatzes der Ortsfeuerwehren, aber auch der DLRG weitgehend beräumt und wieder befahrbar. Den ehrenamtlichen Kräften spricht Thomas Sanftenberg im Namen der Stadtverwaltung einen ausdrücklichen Dank für ihre unermüdliche Arbeit aus. Dem schließt sich Stadtwehrleiter Denis Barycza an. „Die Belastung war ziemlich extrem“, betont er. Zumal manch Helfer persönlich von Sturmschäden betroffen ist oder selbst im Moment des Einsatzes noch nicht weiß, wie es bei ihm daheim ausschaut.

In Töppel sind gestern die Arbeiten an den beschädigten Dächern in der Kreuzstraße schon voll in Gange. Zunächst eine „notdürftige Flickerei“, meint Tobias Radeck. Schließlich darf ja auch keine Gefahr mehr von dem kaputten Dach ausgehen. Die richtige Reparatur folgt später. Auch bei Peter Starke wird das Dach gestern gleich wieder dicht gemacht. Verhältnismäßig gut sei er weggekommen, meint er. Den Vergleich hat er gegenüber, wo das Dach der Scheune in Einzelstücken vor dem stark beschädigten Wohnhaus liegt, in dessen zerstörtem Giebel ein Holzbalken steckt – alles abgesperrt und gesichert bis die Bewohner aus dem Urlaub zurückkehren...