1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Zerbst
  6. >
  7. Zerbst: Weiber sorgen für Spektakel

StadtrundgangZerbst: Weiber sorgen für Spektakel

Unter dem Motto „Würze, Weiber, Wohlgefallen“ unternahmen über 200 Teilnehmer einen amüsant-informativen Rundgang durch Zerbst.

Von Daniela Apel 17.10.2016, 11:00

Zerbst l „Josephina!“, schallt es dröhnend über den Markt. Kurz darauf ist der Schreihals von einer riesigen Menschentraube umzingelt. Als Gustav Lindemann – „Töffchen“ gerufen – stellt sich der „Paschlewwer“ in anhaltischer Mundart vor. Er sei eigentlich mit seiner Schwester verabredet, erzählt der stämmige Bauer zwischen Roland und Butterjungfer. „Sie arbeitet in einer Schankwirtschaft“, erfahren die Zuhörer, bevor sie sich gemeinsam mit ihm auf die Suche nach Josephina und damit auf eine Zeitreise ins spätmittelalterliche Zerbst begeben.

Über 200 Teilnehmer zählt die zehnte Auflage der „3000 Schritte“-Tour. Alle Generationen sind vertreten. Vom Kind bis zum Senior reicht das Spektrum. Aus Zerbst und Umgebung, aber auch aus Dessau, Bitterfeld-Wolfen, Barby oder Nienburg kommen die neugierigen Gäste. Sie sind gespannt, was sie heute während des wissenswert-vergnüglichen Rundganges erwartet. „Würze, Weiber, Wohlgefallen“ ist dieses Mal die Gemeinschaftsaktion überschrieben, zu der die Stadt Zerbst wieder zusammen mit der Kreisvolkshochschule eingeladen hat.

Zehn Frauen und Männer wirken bei der Veranstaltung mit, treten teils mehrfach in unterschiedlichen Rollen auf und erfüllen das Motto inhaltlich mit Leben. Allen voran das Organisationsduo: Während Tourismuschefin Viola Tiepelmann als Josephina auftritt, verkörpert Martina Marczok-Stück, Standortleiterin der Kreisvolkshochschule, deren Freundin Lucia, die weder mit ihren Reizen geizt, noch ein Blatt vor den Mund nimmt.

Auf die Zwei trifft der losziehende Tross der Teilnehmer in der Nicolaikirche, welche die beiden putzend herrichten für einen Herrn Luther, der nach Zerbst kommt, um den ersten evangelischen Superintendenten in der reformierten Stadt zu ordinieren. Ein amüsanter Dialog entspinnt sich, bei dem deutlich wird, dass Weiber verführerischer Genuss sind, manchmal jedoch für Verdruss sorgen. „Sie geben dem Leben Würze und sorgen für Wohlgefallen“, formuliert es Josephina.

Hinter dem gewählten Motto verbirgt sich allerdings noch mehr. So geht der „Wohlgefallen“ auf das Lukas-Evangelium zurück, wo es heißt: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“, zitiert Josephina aus der Bibel. Natürlich widmet sie sich als Schankweib ebenfalls ausführlich der Würze: dem Zerbster Bitterbier. Sie plaudert aus, dass seit 1373 in der Stadt eine Brauinnung existierte, 1375 erhielt Zerbst eine Brauordnung. Mehr als 500 Brauereien, die die „Würze“ ansetzten, gab es einst.

In den vielen Schankbetrieben und Gaststätten der Stadt ließ man sich das süffige Gebräu schmecken, wie der Wirt des ehemaligen „Braustüb‘l“ erzählt. Im „Goldenen Schiff“ warteten zudem die Weiber auf Männer, um sie besonders zu verwöhnen, verrät er schmunzelnd.

Immer wieder begegnen die Teilnehmer der sportlich-charmanten Tour der „Würze“, während sie Josephina und Lucia auf verschlungenen sowie selten betretenen Pfaden quer durch die Stadt folgen. Am Francisceum treffen sie auf die Stadtwache. Ihr Kommandeur berichtet von der Erstürmung des früheren Franziskanerklosters durch die Brauknechte, da sich die Mönche weigerten, vom alten Glauben abzulassen.

Wenig später rücken die Wachleute aus, um einen nach Bitterbier verlangenden Trunkenbold in Gewahrsam zu nehmen. Dieser stellt sich als niemand Geringerer heraus als Dichterfürst Goethe. Unterdessen soll Till Eulenspiegel in Zerbst Herren von Stand Geld abgeknüpft haben mit der Verlockung, ihnen Weiber zu zeigen, die sie noch nie gesehen haben. Ihr enttäuschter Blick fiel auf die Nonnen des Zisterzienserinnenklosters am heutigen Frauentorplatz.

Nach gut zwei Stunden endet mit dem Auftauchen des Bitterbier liebenden Reformators Martin Luther der unterhaltsame und mit vielen Fakten angereicherte Rundgang. Noch einmal ertönt begeisterter Beifall für die Mitwirkenden, bevor Viola Tiepelmann verkündet, dass dies die letzte „3000 Schritte“-Tour gewesen ist. Mit dem Hinweis auf die Neuinszenierung des Zerbster Prozessionsspiel vom 8. bis 10. September 2017 verabschiedet sie sich.