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Sucht Beratungsstelle in Zerbst

Im vergangenen Jahr suchten 141 Klienten Hilfe in der Suchtberatungsstellein Zerbst. Cornelia Pfeffer ist das Gesicht der Anlaufstelle.

Von Nadin Hänsch 23.03.2017, 00:01

Zerbst l „Sucht zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen“, sagt Cornelia Pfeffer. Die Diplom Sozialpädagogin und Suchttherapeutin ist erste Anlaufstelle für Menschen mit Suchtproblemen in Zerbst. Die engagierte Beraterin blickt auf eine langjährige Erfahrung in der Arbeit mit Suchtkranken, die sie seit zwölf Jahren zuerst für die Diakonie, nach einem Trägerwechsel im Jahr 2008 für das Diakonische Werk Bethanien und seit 2012 in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Kreisverband Bitterfeld-Zerbst e.V., berät.

Im vergangenen Jahr (Januar bis Oktober) suchten 141 Klienten Hilfe in der Zerbster Beratungsstelle, die neben drei weiteren Anlaufstellen in Wolfen, Köthen und Bitterfeld, zum Hilfsangebot für Suchtkranke des DRK Kreisverbandes Bitterfeld gehört. „Leute, die einmal verstanden haben, dass es menschlich ist, Hilfe zu brauchen, nehmen die Angebote dankend an“, weiß Cornelia Pfeffer. „Ist die Scham, die jede Sucht mit sich bringt, erst einmal überwunden, und Menschen haben sich an unsere Einrichtung gewandt, so können wir mit Informationen, Fachwissen, Weitervermittlungen weiterhelfen.“ Zum Angebot gehöre unter anderem auch die Möglichkeit von Solidarerfahrungen in den Gruppen.

„Sucht ist nicht gleich Sucht, es gibt viele Wege hinein und genauso viele auch wieder heraus“, macht Cornelia Pfeffer Mut. „Gemeinsam können wir in den Gesprächen hier vor Ort schauen, wie der persönliche Weg aussehen kann.“

Und genau dort setze die Arbeit der Suchtberaterin an. „In einem Gespräch mit dem Hilfesuchenden reden wir darüber, wie sich sein Problem bis zur Sucht entwickelt hat.“ Den Menschen, die sich an sie wenden, versuche die Suchttherapeutin die Angst zu nehmen, über ihre Probleme zu reden. Die Gespräche finden zudem in einer vertraulichen Atmosphäre, die jetzt die neuen Räume auch gewährleisten können, statt. Ziel der Beratung sei es unter anderem, gemeinsam herauszufinden, welche Angebote in Frage kommen würden. Die Beratung erfolge natürlich anonym, versichert Cornelia Pfeffer. „Ist der Wunsch nach Hilfe erst erkannt, können wir anschließend auf Wunsch einen Antrag an den Kostenträger beispielsweise für eine Therapie oder Suchtentwöhnung stellen.“ Der Antrag gehe unter anderem an die Krankenkasse oder an den Rentenversicherungsträger. Das sei von Fall zu Fall verschieden.

„Es ist kompliziert und sehr bürokratisch, aber jeder Betroffene hat ein Recht auf diese Leistungen, da Sucht eine Erkrankung ist und keine Selbstschuld, wie oft angenommen wird. Denn ich beschließe ja nicht abhängig zu werden“, nimmt Cornelia Pfeffer die Scheu. Die Hilfe der Beratungsstelle sei deshalb auch kostenlos für die Betroffenen.

Nach einer Beratung folge meist die Vermittlung in eine Entgiftung, anschließend eine Therapie, dann die Nachsorge und die soziale Integration des Abstinenzlers in die Gesellschaft. „Die meisten kommen zu mir, um Hilfe zu finden, um aus ihren Suchtkreislauf auszubrechen“, so Cornelia Pfeffer.

„Die Hemmschwelle derer, die aus einer Therapie kommen, sich an die Beratungsstellen zu wenden, ist oft groß, wenn sie vorher noch keinen Kontakt zu uns hatten“.

Nach einer Therapie beginne die Nachsorge. Ein Jahr begleite Cornelia Pfeffer Abstinenzler auf ihrem neuen Weg. „Eine Therapie soll helfen, das Verhalten zu ändern“, bringt sie es auf den Punkt. „In dieser Zeit lernen Betroffene ‚unter einer Käseglocke‘, Verhaltensmuster abzulegen. Danach geht es zurück ins Leben.“ Dabei bedürfe es an Unterstützung. Nach der Nachsorge könnten Betroffene eine Selbsthilfegruppe besuchen, so lange, wie der Bedarf da sei.

In der Zerbster Suchtberatungsstelle gibt es zwei Selbsthilfegruppen, eine für Alkoholkranke und eine für unterschiedliche Suchtarten.

„Den Hauptbestandteil unserer Arbeit nimmt die Alkoholsucht ein“, sagt Cornelia Pfeffer. Von Januar bis Oktober 2016 kamen 83 Süchtige mit Alkoholproblemen in die Beratung, 44 wegen Drogenabhängigkeit. Im Rückblick auf 2013 sei zu erkennen, dass die Hauptdiagnose Alkohol bis 2016 deutlich zurückgegangen sei. 2013 waren es noch 111 Klienten mit der Diagnose Alkoholsucht, im Folgejahr sogar 120. Jedoch habe der Anteil der Klienten, bei denen eine Crystal-Meth-Sucht diagnostiziert wurde, stetig zugenommen. Seit 2014 seien die Zahlen aber relativ konstant geblieben (39 Diagnosen 2014 und 2015), fasst die Beraterin zusammen.

In den letzten Jahren war jedoch eine Verschiebung zu beobachten. „Nicht nur bei den Drogenkonsumenten, sondern auch bei Klienten mit anderen Suchtproblematiken ist eine Zunahme von Doppeldiagnosen auffällig.“ Mehr als die Hälfte leide unter weiteren psychischen Störungen. Die Betroffenen würden fälschlicher Weise glauben, dass eine Behandlung ihrer Störung auch ihr Suchtproblem löse. Dem sei aber nicht so, weil sich die Sucht längst verselbstständigt habe. Daher müsse sowohl die psychische Störung als auch das Suchtproblem in gleicher Weise behandelt werden, klärt Cornelia Pfeffer auf.

Die Baustellen für eine spätere Sucht würden schon sehr früh entstehen. „In Amerika bekommt beispielsweise jedes dritte Kind Ritalin (wird bei Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen bei Kindern und Jugendlichen angewandt; Anm.d.Red.), um durch bessere Konzentration ihr Abi zu schaffen“, führt die Suchtberaterin an. „Früher haben Eltern ihre Kinder getröstet, wenn sie hingefallen sind und sich die Knie aufgeschlagen haben, heute gibt es Globuli oder Schmerztmittel – als Lösung von außen – gegen den Schmerz.“ So würden Kinder lernen, dass Tabletten helfen, besser mit den Schmerz umzugehen. Natürlich sei das nicht immer problematisch.

„Egal, ob Alkoholiker oder Drogensüchtiger, jede Droge macht am Ende einsam, denn mit manipulierten Gefühlen hält man andere Menschen auf Distanz“, spricht Cornelia Pfeffer aus Erfahrung. Wer ein Suchtproblem hat und Hilfe sucht, ist in der Suchtberatungsstelle willkommen.

 

Termine gibt es bei Cornelia Pfeffer unter 03923/6 13 57 40. Menschen mit psychischen Problemen wenden sich an den sozial-psychiatrischen Dienst unter 03923/70 26 00.